2012/09/08

Teilungserklärung Rücksichtnahme Balkon Rechtsanwalt


Zu Problemen der Teilungserklärung und dem Gebot der Rücksichtnahme im Blick auf Ausbaumaßnahmen wie insbesondere Balkons

Mitunter gibt es in Teilungserklärungen Regelungen, die relativ weitreichend formuliert sind. Danach darf ein Wohnungseigentümer eine Maßnahme durchführen, die als bauliche Veränderung gilt. Abhängig ist das dann oft scheinbar nur noch von einer Baugenehmigung, ohne dass die Frage zu erörtern wäre, ob nicht hier Rücksichtnahmepflichten des Berechtigten bestehen. Gerichte haben hierzu differenzierte Überlegungen angestellt, die deutlich machen, wie wichtig die gemeinschaftsorientierte Auslegung solcher Klauseln ist. Wir haben im Gebiet des Wohnungseigentumsrechts oft das Problem erfolgreich gelöst, in diesem Beziehungsgeflecht von Sondereigentümern die Interessen unserer Mandanten zu realisieren. Vertrauen Sie uns, wir haben Erfahrung.

1. Fall OLG Köln 17.08.2005 

Ausgangspunkt war die Regelung in der Teilungserklärung bezogen auf An- und Aufbauten an dem jeweiligen Sondereigentum und die Inanspruchnahme des Gemeinschaftseigentums auch insoweit, als der Anbau über die Umgrenzung des Sondereigentums hinausgeht. Das Erfordernis der Zustimmung der Wohnungseigentümer zu der von dem Antragsgegner vorgenommenen baulichen Veränderung war wirksam durch die Regelung in der Teilungserklärung - wie im vorliegenden Fall - abgedungen. Das OLG Köln untersuchte dann allerdings diese vorbehaltlose Regelung.

Die Teilungserklärung bedurfte nach dem Landgericht Köln und Oberlandesgericht Köln der Auslegung, weil die Bestimmung nicht bedeuten kann, dass es den Wohnungseigentümern freigestellt ist, nach ihrem Belieben ohne Rücksichtnahme auf die Belange der übrigen Wohnungseigentümer an jeder von ihnen gewünschten Stelle ihres Sondereigentums und in jeder von ihnen gewünschten Größe und beliebigen Anzahl An-/Aufbauten vorzunehmen.

Das Gericht konstatierte: Auch dann, wenn nach der Teilungserklärung einem Wohnungseigentümer eine weit gefasste Möglichkeit für Ausbaumaßnahmen eingeräumt ist, hat er auch auf die Interessen der übrigen Miteigentümer Rücksicht zu nehmen und die Lösung zu wählen, die deren Belange am wenigsten beeinträchtigt.

2. Fall OLG Köln 30.05.2005


Hier lautete die Regelung in der Teilungserklärung: "Der jeweilige Eigentümer der Wohnung Nr. 4 hat das ausschließliche Recht, das derzeitige Flachdach - nach Maßgabe der bestehenden Vorschriften - ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer so auszubauen, dass eine andere Dachform entsteht, die gegebenenfalls ein zusätzliches Wohngeschoss ermöglicht. Die neu entstehenden Räume sind sodann Bestandteil der Wohnung Nr. 4. Andererseits trägt der Berechtigte alle Kosten des Aus- und Umbaus allein, ebenso schon jetzt die laufenden Erhaltungs- und Unterhaltungskosten für das Dach. Entsprechendes gilt für den Anbau eines Balkons an die Wohnung Nr. 4 mit Stützen."

Die Auslegung der Bestimmung in der Teilungserklärung hatte sich nach dem Senat daran zu orientieren, dass die vorweggenommene Erlaubnis zum Ausbau des Dachgeschosses dem gesetzlichen Leitbild des § 22 WEG widerspricht, wonach grundsätzlich bauliche Veränderungen, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, von der ausdrücklichen Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zu der konkret bestimmten Baumaßnahme abhängen. Eine Bestimmung in der Teilungserklärung, die eine an sich erforderliche Zustimmung entbehrlich macht, muss daher eng ausgelegt werden und darf die Rechte des begünstigten Wohnungseigentümers nicht über den eindeutig bestimmbaren Wortlaut der Vereinbarung hinweg erweitern.

Eine Bestimmung in einer Teilungserklärung, mit der einem Wohnungseigentümer ein Dachgeschossausbau ermöglicht wird, ist grundsätzlich eng auszulegen und darf die Rechte des begünstigten Wohnungseigentümers nicht über den eindeutig bestimmbaren Wortlaut der Vereinbarung hinweg begünstigen.

Auch hier wird also klar, dass nur über eine enge, die Interessen der anderen Wohnungseigentümer berücksichtigende Auslegung die Zulässigkeit einer baulichen Veränderung ermittelt werden kann. Die Erkenntnis für das vorliegende Verfahren ist hier der Umstand, dass der Begriff "Balkon" ausgelegt werden muss. Anderenfalls laufen die Rücksichtnahmepflichten des Wohnungseigentümers leer, was dem gesamten Regelungssystem des Wohnungseigentumsrechts widerspräche.

3. Fall OLG Düsseldorf vom 20.09.1999

Die Regelung in der Teilungserklärung, die dieser Entscheidung zugrunde lag, lautete: Sämtliche jeweiligen Wohnungseigentümer sind berechtigt, auf den ihrem jeweiligen Sondernutzungsrecht unterliegenden Terrassenflächen bzw. auf den ihrem jeweiligen Sondereigentum unterliegenden Balkonen jeweils - soweit baurechtlich zulässig - nach freiem Ermessen einen Wintergarten zu errichten, zu unterhalten und instandzuhalten..."

Sind sämtliche jeweiligen Wohnungseigentümer berechtigt, auf den ihrem jeweiligen Sondernutzungsrecht unterliegenden Terrassenflächen bzw. auf den ihrem jeweiligen Sondereigentum unterliegenden Balkonen jeweils im Rahmen der Bauvorschriften nach freiem Ermessen einen - nicht näher beschriebenen - Wintergarten zu errichten, zu unterhalten und instandzuhalten, so kann dies nach dem Senat nur dahin ausgelegt werden, dass ein Balkon verglast und als Innenwohnbereich genutzt werden darf. Die nach der Teilungserklärung damit erlaubte Nutzung des umgebauten, insbesondere verglasten Balkons als Wintergarten stellt sich damit letztlich als die Gestattung eines "Wohnens" in diesem Bereich dar.

Allerdings hat die Kammer insoweit nicht berücksichtigt, dass die Verglasung als solche durch die das geordnete Zusammenleben der Wohnungseigentümer regelnde Teilungserklärung gestattet wird, sich also prinzipiell nicht als Beeinträchtigung im Sinne der §§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG darstellt. Etwas anderes mag zwar gelten, wenn die Verglasung sich wegen ihres äußeren Erscheinungsbildes als besonders aufdringlich und deshalb belastend darstellte und deshalb durch die Baumaßnahme das eingeräumte "freie Ermessen" bei der Gestaltung überschritten wäre.

Wichtig ist also, dass die Zulässigkeit bzw. das freie Ermessen bei "besonders aufdringlichen und deshalb belastenden Maßnahmen" eben nicht zwingend durch die Teilungserklärung mit der Abbedingung von §§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG bereits entschieden ist. Eine Auslegung, die die übergreifende Voraussetzung "Rücksichtnahme" zugunsten einer reinen Wortlautauslegung ignoriert, ist nicht vom Gesetzeszweck und auch nicht von den juristischen Interpretationsregeln her gedeckt. Insoweit geht es hier auch nicht um eine reine Begriffsbestimmung, die ohnehin niemals eine juristische Auslegung nach den geläufigen Auslegungsprinzipien erledigt. In eine Regelung der vorliegenden Art - das macht die genannte Entscheidung besonders deutlich - muss auch der Zweck der Regelung ermittelt werden.

4. Fall Oberlandesgericht Hamburg vom 06.08.2003

Der Eigentümer des Teileigentums war nach der Teilungserklärung zur Bebauung des Innenhofes mit einer Tiefgarage berechtigt. Der Senat, der die Teilungserklärung selbst auslegen kann, legte den Begriff "Tiefgarage" der Teilungserklärung aus. Danach kam es nach Auffassung des Senats gerade nicht auf die Definition in öffentlich-rechtlichen Vorschriften an, sondern ausschließlich darauf, "wie dieser Begriff aus der Sicht eines durchschnittlichen Adressaten der Teilungserklärung ohne spezielle Fachkenntnisse in seiner nächstliegenden Bedeutung aufzufassen war." Räumt die Teilungserklärung einem Teileigentümer die Befugnis ein, den Innenhof der Wohnungseigentumsanlage mit einer Tiefgarage zu bebauen, ist diese Befugnis, unabhängig von der Definition in öffentlich-rechtlichen Vorschriften, überschritten, wenn die fertiggestellte Tiefgarage bis an die Sohlbänke der Fenster im Erdgeschoss reicht, die sich zuvor mindestens 1,50 m über dem Niveau des Innenhofes befanden. Selbst wenn es sich bei der Errichtung der Tiefgarage um eine fertigstellende Baumaßnahme handeln sollte, braucht ein Wohnungseigentümer eine solche Baumaßnahme eines anderen Eigentümers nicht zu dulden, wenn er dadurch in einem über das nach §§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG zulässige Maß hinaus in seinen Rechten beeinträchtig wird.

Hier wird deutlich, dass eine Auslegung unabdingbar ist - trotz des vermeintlich eindeutigen Wortgebrauchs. Der Begriff "Tiefgarage", unabhängig von öffentlich-rechtlichen Vorschriften ist eben nicht für sich betrachtet bereits geeignet, einen Interessenausgleich zwischen Wohnungseigentümern herzustellen, der auch bei der Abbedingung der grundsätzlichen Regelung des WEG im Rahmen der Auslegung durchzuführen ist.

5. Fall OLG Düsseldorf vom 05.07.1999

Es wurde von den Wohnungseigentümern einstimmig beschlossen, dass eine Wohnungseigentümerin auf eigene Kosten in der dritten Etage an ihrer Wohnung einen Balkon anbauen darf. Auch hier demonstriert die Auslegung des OLG Düsseldorf eindringlich, dass ein solcher Beschluss keinen "Regelungsautomatismus" entfaltet. Es konnte nach Auffassung des Senats dahinstehen, ob schon wegen der Abmessungen von 8,62 m x 3,45 m nicht mehr von einem "Balkon" gesprochen werden kann, wie er seinerzeit gestattet wurde. Jedenfalls aber ist von der Erlaubnis, Balkone anzubauen oder anzubringen, nicht eine Stahlstützenkonstruktion mit umfasst, die im Garten mündet. Wohnungseigentümerbeschlüsse unterliegen den allgemeinen Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen nach § 133 BGB. Es kommt also auf ihren objektiven Erklärungswert an. Demnach sei zu berücksichtigen, dass durch eine Ständerkonstruktion mit 2 x 3 Stützen, wie sie aus den Zeichnungen des Architekten und aus seiner Baubeschreibung ersichtlich werde, zum einen der optische Gesamteindruck des Hauses stärker verändert wird, als es der Fall wäre, wenn lediglich - wie dies beim Balkonanbau normalerweise geschieht - drei Balkone angehängt würden.

Nach objektiven Gesichtspunkten kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Einverständnis zum Anbau von drei Balkonen zugleich die Zustimmung zu derartigen Beeinträchtigungen einschließt.

Ein Balkonanbau mit einer Stahlstützenkonstruktion, deren Stützen im Garten der Wohnungseigentumsanlage verankert sind - hier in einem dem Sondernutzungsrecht eines Wohnungseigentümers unterliegenden Gartenteil - ist eine bauliche Veränderung, die der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer bedarf. Die Zustimmung ist, wegen des unterschiedlichen Ausmaßes der Beeinträchtigung, nicht bereits darin zu sehen, dass die Wohnungseigentümer darüber einig waren, in den Obergeschossen des Hauses Balkone anzubauen. Auch hier wird ganz deutlich, dass nicht eine Begrifflichkeit, zudem wenn sie nicht vom Gericht interpretiert wird, entscheidet. Ein "Balkon" ist nicht irgendeine Konstruktion, die lediglich von einer Baugenehmigung abhängen kann, weil auch insoweit die Behörde keine Entscheidung über den Charakter des Bauvorhabens, sondern allein über dessen öffentlich-rechtliche bzw. nachbarrechtliche Zulässigkeit trifft. Die Frage, ob das vorliegende Objekt ein "Balkon" im Sinne der Teilungsvereinbarung ist, ist damit nicht entschieden. Insofern ist die Frage, ob es sich um einen Balkon im Sinne einer objektiven Betrachtung handelt und ob es Grenzen gibt, die den Schutz von betroffenen Wohnungseigentümern bezwecken, eigenständig vom jeweils erkennenden Gericht zu beantworten. 


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