Wir erleben immer wieder, dass nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch in Schulen kräftig
gemobbt wird. Teilweise gehört das zum Sozialisationsprozess. Schüler lernen
oft mit solchen Angriffen fertig zu werden, wenn sie nicht eine Intensität
erreichen, dass ein Eingreifen von Lehrern und Eltern notwendig wird. Ähnlich
wie in der betrieblichen Praxis ist bei Schulen zu beobachten, dass abstrakte
Thematisierungen der Problematik oft suggerieren, die Schule habe sich mit dem
Thema auseinandergesetzt. Kommt es zum Ernstfall, und dazu kommt es oft genug,
werden oft die Hilflosigkeiten sichtbar. Lehrer fühlen sich indes oft überfordert.
Gewisse Themen sind so undelikat, dass man sich ihnen lieber entzieht, um nicht
Gefahr zu laufen, vorurteilsbehaftet zu reagieren und hilflos zu erscheinen. Schüler haben altersbedingte
Artikulierungsschwierigkeiten, die ein Übersehen solcher Probleme leichter
machen. Keine Schule möchte mit ihrer "corporate identy" verbinden,
dass dort gemobbt wird. Das macht es für Opfer und ihre Eltern oft schwer, gehört zu
werden.
Mobbing in der Schule
Schulmobbing ist ein öffentlichkeitswirksames Thema. Die
Bundeszentrale für politische Bildung gibt eigens Informationsblätter dazu
heraus. Es ist natürlich bei einem so sensiblen Thema die Frage, ob juristische
Maßnahmen weiter helfen. "In einem frühen Stadium von Mobbing kann es
ausreichen, wenn man mit seinem Kind das Verhalten in bestimmten Situationen
übt", so Jo-Jacqueline Eckardt, Autorin des Buches "Mobbing bei
Kindern" (Zitiert nach Spiegel Online - 12.04.2007). Oftmals können
scheinbar geringfügige Verhaltensumstellungen nachhaltige Effekte haben.
Vor allem Facebook, WhatsApp und andere Kommunikations- und
Community-Systeme schaffen Angriffs- und Verletztungsmöglichkeiten, die weit über das in ein Schreibpult hineingeritztes
"Martin ist doof" hinausgehen. Hier schalten sich viele Mitschüler
zu, sodass regelrechte Hetzjagden veranstaltet werden. Kompromittierendes
Fotomaterial ist ein besonders schwerwiegendes Instrument, um einen
öffentlichen Pranger zu errichten, der SchülerInnen zur Verzweiflung treiben kann.
Wir haben kürzlich einen Fall in der Kanzlei vertreten, in dem immerhin die
Gerichte der Auffassung waren, dass fundamentale Angriffe dieser Art auf die
Integrität der Persönlichkeit auf Community-Foren auch durchaus empfindlich zu
ahnden sind.
Rechtsprechung zu solchen "Mobbingklagen" liegt
nicht reichhaltig vor. Zum Verhältnis von Schulpflicht und Mobbing hat das
Verwaltungsgericht Ansbach (AN 2 S 06.01862) einige Ausführungen gemacht.
Schlägereien auf dem Schulhof weisen eine haftungsrechtliche
Besonderheit auf. Sie werden unter bestimmten Voraussetzungen als Schulunfall
eingestuft, dessen Folgen dem jeweiligen Schädiger durch die Unfallversicherung
abgenommen werden. Das geschieht regelmäßig im Interesse des Schulfriedens und
des ungestörten Zusammenlebens von Lehrern und Schülern in der Schule.
Maßgeblich sind hier §§ 104 Abs. 1, 105
Abs. 1 SGB VII in Verbindung mit § 106 Abs. 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. b
SGB VII. Danach kann Ersatz des Personenschadens, den ein von der gesetzlichen
Unfallversicherung erfasstes Schadensereignis verursacht hat, nur verlangt
werden, wenn der Schädiger den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat.
In solchen Fällen muss der Vorsatz nicht nur die Verletzungshandlung, sondern
auch den Verletzungserfolg umfassen.
Geldentschädigung bei Mobbing
Zunächst gilt für Mobbingfälle regelmäßig, dass sie
Einzelfallcharakter haben. Ob eine
schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung
einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und
Tragweite des Eingriffs ab, also von Ausmaß und Intensität der Ausstrahlung,
von der Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des
Verletzten sowie dem Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie dem Grad seines
Verschuldens. Gerade die Persönlichkeit von Minderjährigen bedarf besonderen
Schutzes, wie das Bundesverfassungsgericht 2000 festgestellt hat. Das gilt
nicht nur für Kinder, sondern auch für Jugendliche. Auch sie müssen sich erst
noch zu eigenverantwortlichen Personen entwickeln.
Bei der Sanktionswirkung, die mit einem Schmerzensgeld bzw.
einer Entschädigung wegen Persönlichkeitsverletzung verbunden ist, ist generell
auf Art, Ausmaß und Intensität der jeweiligen Persönlichkeitsverletzung
abzustellen. Hier hat das OLG Hamm dem Aspekt der Minderjährigkeit besondere
Bedeutung beigemessen. Dabei wurde bei der Bewertung des Verletzungsgrads auf
das "Gespött von Mitschülern" und "anonyme Anrufe" sowie
auf Beleidigungen in der Öffentlichkeit
abgestellt. Ähnlich sind die Effekte des "Cybermobbing" zu
beschreiben.
Herr Rechtsanwalt Dr. Palm hat selbst drei Kinder und kennt
von daher den typischen Schulalltag sehr gut. Mobbing ist ein immer wieder
auftretendes Phänomen. Dabei sind Art und Intensität solcher Verhaltensweisen
sehr verschieden. Wir hatten neulich erst an einer Schule eine sehr gute
Kooperation mit der Schulleitung und der Schulaufsicht, sodass der Schüler
inzwischen wieder problemlos die Schule besucht und die Mobber in ihre
Schranken verwiesen wurden. Zuvor stand im Prinzip nur die Frage im Raum, ob
der Schüler die Schule verlässt. Das kann vermieden werden, wenn die Probleme
sachlich aufgezeigt werden und eine Frontstellung gegenüber der Schule
vermieden wird. Sollte allerdings die Schule ihre Verantwortung nicht erkennen,
sind wir auch bereit, diese Position nachhaltig zu verfolgen. Leider beobachten
wir immer wieder Schulen, die mit dem Thema überfordert sind oder den Konflikt
zu bagatellisieren versuchen. Neben der juristischen Aufarbeitung gilt es
häufiger auch, zusätzlich psychologischen Hilfen in Anspruch zu nehmen, um
Kindern und Heranwachsenden in ihrer Entwicklung zu helfen.
Rechtsanwaltskanzlei Dr. Palm