2010/05/17

Urlaub - Befangenheit - Termin


Nach wohl überwiegender Meinung der Rechtsprechung stellt es einen erheblichen Grund im Sinne von § 227 I ZPO dar, wenn der Prozessbevollmächtigte durch Urlaub an der Wahrnehmung des anberaumten Termins gehindert ist. Nichts anderes kann für die Verhinderung durch eine Fortbildungsveranstaltung gelten. Die Verlegung kann im Regelfall auch nicht mit der Begründung verweigert werden, einer der Sozii des verhinderten Prozessbevollmächtigten könne die Vertretung übernehmen. Die vertretene Partei darf regelmäßig erwarten, im Termin von demjenigen Anwalt vertreten zu werden, der die Sachbearbeitung des Mandats übernommen hat. Der abgelehnte Richter hätte eine Verlegung des Termins umso mehr in Erwägung ziehen müssen, als es hier die Klägerseite war, die um eine Verlegung gebeten hatte, der Antrag unmittelbar nach Zugang der Verfügung gestellt wurde und die Verlegung mit wenig Aufwand möglich gewesen wäre.

Eine hiervon abweichende "ständige Praxis" der Kammer des abgelehnten Richters kann regelmäßig nicht akzeptiert werden. Die Verweigerung der Terminsverlegung durch den hierdurch herausgeforderten Befangenheitsantrag und dem sich anschließenden Beschwerdeverfahren hat zu einem Aufwand geführt, der einer prozessökonomischen Betrachtungsweise nicht standhält. Zudem hat gerade die Verweigerung eine Verzögerung des Verfahrens bewirkt, um deren Vermeidung der abgelehnte Richter bemüht war.

Ob eine Terminsverlegung bei Vorliegen anderer Umstände im Einzelfall ausnahmsweise doch mit der von dem abgelehnten Richter vertretenen Begründung verweigert werden kann, muss hier nicht entschieden werden. Die ermessensfehlerhafte Verweigerung der Verlegung eines Termins kann einen Ablehnungsgrund nach § 42 II ZPO darstellen, zumal ein Rechtsmittel gegen die Verweigerung gemäß § 227 IV ZPO nicht gegeben ist.

Ihre Rechtsanwaltskanzlei Dr. Palm

Untätigkeitsbeschwerde - Prozess - Verzögerung


Warten, warten, warten. Mitunter kann es einem "sauer" werden, wenn Gerichte aus guten oder vielleicht weniger guten Gründen keine Entscheidung treffen. Vielleicht ist das Warten mitunter ein größeres Ärgernis als ein verlorener Prozess. Was kann man tun?

Nach der herrschenden Meinung kann das im Rechtszug übergeordnete Gericht grundsätzlich nur gegen eine ergangene, den Rechtsmittelführer beschwerende Entscheidung eines Gerichts, nicht aber gegen dessen vermeintliches oder tatsächliches Untätigbleiben angerufen werden. Die Zivilprozessordnung sieht ein solches Rechtsmittel weiterhin nicht vor.

Ob gegen das Untätigbleiben eines Gerichts in Ausnahmefällen ein außerordentliches Rechtsmittel zuzulassen sei, hat der Bundesgerichtshof offen gelassen. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird die Untätigkeitsbeschwerde als außerordentliches Rechtsmittel (nach Maßgabe der Vorschriften des § 252 bzw. §§ 567 ff ZPO) aus rechtsstaatlichen Gesichtpunkten für zulässig gehalten, wenn mit ihr eine willkürliche Untätigkeit des Gerichts geltend gemacht wird, die einer endgültigen Rechtsverweigerung gleichkommt. Die Zulässigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde wurde von einem Teil der Rechtsprechung dann gesehen, wenn besondere Umstände vorliegen, insbesondere Anlass zu der Annahme besteht, dass ein Fall völlig unzumutbarer und auf Rechtsverweigerung hinauslaufender Verzögerung vorliegt. Dies ist dann zu bejahen, wenn die Art der Behandlung des Verfahrens zu einer über das Normalmaß hinausgehenden, unzumutbaren Verzögerung einer Entscheidung führt, die im Ergebnis einer durch Untätigkeit verursachten willkürlichen Rechtsverweigerung bzw. einer Art stillschweigender Aussetzung des Verfahrens gleichkommt.
Generell verbietet sich aber nach der Rechtsprechung jede schematische Betrachtung, vielmehr sind die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen. Der auf dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch (Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG) beruhende Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes darf allerdings nicht dazu führen, dass ein Beschwerdegericht in die richterliche Unabhängigkeit und die Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens der Vorinstanz, wie es prozessual verfährt, eingreift. Verfahrensgegenstand wäre, wenn man dieses Rechtsmittel zulässt, ausschließlich die Untätigkeit des erstinstanzlichen Gerichts. Hingegen ist eine Untätigkeitsbeschwerde nicht eröffnet, um einzelne vom Beschwerdeführer begehrte Verfahrenshandlungen im Rahmen eines laufenden, vom zuständigen erstinstanzlichen Gericht geförderten Verfahrens herbeizuführen. Ziel der Beschwerde kann es also nur sein, die Vorinstanz anzuweisen, dem Verfahren Fortgang zu geben, wobei zu beachten sein wird, dass durch die Zulässigkeit der Untätigkeitsbeschwerde das Verfahren nicht insgesamt weiter verzögert wird. Völlig zu vermeiden ist das natürlich nicht.

Unterbleibt bei hoher Belastung des Gerichts und fortlaufendem Schriftwechsel der Parteien über längere Zeit eine Terminierung der Sache, lässt sich hieraus eine Untätigkeit des Gerichts nicht ohne weiteres herleiten. Eine Überprüfung der richterlichen Tätigkeit durch die nächst höhere Instanz scheidet in einem solchen Fall aus.

Im Übrigen: Eine Befangenheit des abgelehnten Richters kann ausnahmsweise zu besorgen sein, wenn er einen Prozess ohne erkennbaren Grund über lange Zeit hinweg nicht weiter fördert und auf wiederholte Erinnerungen und Anträge des Klägers, der beispielsweise erhebliche Summen fordert, schlicht nicht mehr reagiert.

Natürlich können lange Prozesse auch andere Gründe haben. Wenn Sie Fragen dazu haben, den Eindruck gewinnen, der Prozess könnte beschleunigt werden, schildern Sie uns Ihren Fall. 

Ihre Rechtsanwaltskanzlei Dr. Palm

2010/05/13

Bundesgerichtshof Mai 2010 zum Filesharing - Abmahnung - Schadensersatz

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. Mai 2010 – I ZR 121/08 (Sommer unseres Lebens) ist von erheblicher Bedeutung für die sog. Filesharing-Fälle. Privatpersonen können danach lediglich auf Unterlassung, nicht dagegen auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Das setzt vor, dass ihr nicht ausreichend gesicherter WLAN-Anschluss von unberechtigten Dritten für Urheberrechtsverletzungen im Internet genutzt wurde. Das hat der u. a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden. Die Klägerin war Inhaberin der Rechte an dem Musiktitel "Sommer unseres Lebens". Der Beklagte war in der fraglichen Zeit, in der der Titel heruntergeladen war, jedoch in Urlaub. Die Klägerin begehrte vom Beklagten Unterlassung, Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben, soweit das Berufungsgericht die Klage mit dem Unterlassungsantrag und mit dem Antrag auf Zahlung der Abmahnkosten abgewiesen hatte. Nach dem BGH kommt eine Haftung des Beklagten als Täter oder Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung nicht in Betracht. Dabei müssen aber private Anschlussinhaber prüfen, ob ihr WLAN-Anschluss durch angemessene Sicherungsmaßnahmen vor der Gefahr geschützt ist, wie geschehen missbraucht zu werden. Dem privaten Betreiber eines WLAN-Netzes kann allerdings nicht zugemutet werden, ihre Netzwerksicherheit fortlaufend dem neuesten Stand der Technik anzupassen und dafür entsprechende finanzielle Mittel aufzuwenden. Ihre Prüfpflicht bezieht sich daher auf die Einhaltung der im Zeitpunkt der Installation des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen.

Diese Pflicht war in dem konkreten Fall verletzt, weil es der Nutzer bei den werkseitigen Standardsicherheitseinstellungen des WLAN-Routers belassen hatte und das Passwort nicht durch ein persönliches, ausreichend langes und sicheres Passwort ersetzt. Ein solcher Passwortschutz war auch für private WLAN-Nutzer bereits im Jahre 2006 üblich und zumutbar. Er lag im Eigeninteresse aller berechtigten Nutzer und war zudem mit keinen Mehrkosten verbunden.

Der Beklagte haftet deshalb nach den Rechtsgrundsätzen der sog. Störerhaftung auf Unterlassung und auf Erstattung der Abmahnkosten (Wichtige Feststellung am Rande: nach geltendem, im Streitfall aber noch nicht anwendbaren Recht fallen insofern maximal 100 € an). Diese Haftung besteht schon nach der ersten über seinen WLAN-Anschluss begangenen Urheberrechtsverletzung. Hingegen ist der Beklagte aber nicht zum Schadensersatz verpflichtet.

Eine Haftung als Täter einer Urheberrechtsverletzung hat das Gericht zudem verneint, weil nicht der Beklagte den fraglichen Musiktitel im Internet zugänglich gemacht hat. Eine Haftung als Gehilfe bei der fremden Urheberrechtsverletzung hätte Vorsatz vorausgesetzt, an dem es im Streitfall fehlte.

Das Urteil könnte wegweisend sein, wenn nicht später in Fällen von mehr Dateien, als sie dem vorliegenden Fall zugrundelagen, doch die Abmahnkosten wieder auf immense Streitwerte berechnet werden.

2010/05/03

Beamte - Mobbing

Aktuell ist eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen 6. Senat vom 19.02.2009 - 6 A 356/06 zum Thema Mobbing bei Beamten:

Das Oberverwaltungsgericht weist in dieser Entscheidung zunächst auf einen rechtlichen Umstand hin, der auch der arbeitsgerichtlichen Mobbing-Rechtsprechung und allgemeinen prozessualen Regeln entspricht: Die bloße Behauptung systematisch anfeindender, schikanierender und diskriminierender Verhaltensweisen von Vorgesetzten genügt für die Darlegung einer derartigen Verletzung der Fürsorgepflicht nicht. Die beanstandeten Verhaltensweisen dürfen nicht nur pauschal und wertend geschildert werden. Vielmehr müssen sie so konkret und substantiiert dargestellt werden, dass sie einer Überprüfung zugänglich sind. Dies setzt die Darlegung eines Tatsachenkerns voraus, der mit konkretem Gegenvortrag bestritten werden kann. Das Gericht verweist ausdrücklich auf den arbeitsrechtlichen Begriff des Mobbings, wie es die Landesarbeitsgerichte – unter anderem (LAG) Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11. Januar 2008 - 9 Sa 489/07 -; LAG Köln, Urteil vom 21. April 2006 - 12 (7) Sa 64/06; LAG Schleswig-Holstein; Urteil vom 28. März 2006 - 5 Sa 595/05 -, NZA-RR 2006, 402 – entwickelt haben.

Diesen Anforderungen genügte das Vorbringen der Klägerin dieser Entscheidung nicht. Sehr typisch folgte daraufhin dieser Vortrag des Gerichts: Die Vorwürfe der Klägein gegen den Schulleiter und andere Beteiligte seien ausschließlich wertend und pauschal. Deren Verhalten beschrieb sie in der Gegendarstellung zum Schulleitergutachten vom 7. September 2003 durchgängig als "Machtspiele mit Geschrei, Gebrüll, Drohungen und Mundverbieten", "ständige Schikanen", "erniedrigend" und, soweit es um die Bewertung ihrer Leistungen ging, als "Verleumdungen" und "Unwahrheiten". Dieser Vortrag war mangels Tatsachenkerns mit konkretem Gegenvortrag nicht bestreitbar und einer Überprüfung nicht zugänglich. Das galt auch für den Vorwurf der Verleumdung und Verbreitung von Unwahrheiten. Die Klägerin stellte nicht objektiv überprüfbare Tatsachenbehauptungen der genannten Personen in Frage, sondern nur Werturteile. Soweit sie konkrete Gegebenheiten wie einen Anruf des Schulleiters am 6. Februar 2002 oder ein Gespräch mit ihm an einem Sonntag in T. schilderte, waren nicht inhaltliche Äußerungen oder konkret beschriebene Verhaltensweisen Gegenstand des Vorwurfs, sondern das lediglich allgemein als "unverschämt", "brüllend" und "einschüchternd" bezeichnete Auftreten des Schulleiters.

Probleme der Zurechnung

Ob die Schulleiterbeurteilung vom 5. August 2003 als solche die Erkrankung der Klägerin verursacht hat, kann offen bleiben. Eine derartige Folge wäre dem beklagten Land nicht in der Weise zuzurechnen, dass sie das Ermessen bei der Entscheidung über die Entlassung aus dem Vorbereitungsdienst einschränken würde. Dabei kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass die Beurteilung rechtswidrig war. Für die Zurechnung genügt es nicht, dass eine rechtswidrige Handlung von Bediensteten des Dienstherrn conditio sine qua non für die Dienstunfähigkeit des betroffenen Beamten ist, also nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass die Dienstunfähigkeit entfiele. Vielmehr muss diese eine adäquate Folge der rechtswidrigen Handlung sein. Das ist nur der Fall, wenn der Dienstherr mit einem derartigen Kausalverlauf rechnen musste. Objektiv außergewöhnliche, nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassende Geschehensabläufe sind ihm nicht zuzurechnen, weil dies zu einer uferlosen Ausweitung seiner Verantwortlichkeit führen würde.

Dienstunfähigkeit

Die Dienstunfähigkeit der Klägerin ist keine adäquate Folge des Schulleitergutachtens vom 5. August 2003. Zwar mag vorhersehbar sein, dass eine schlechte Beurteilung beim Betroffenen zu einer psychischen Belastung führen kann, es muss aber in aller Regel nicht mit weitergehenden Beeinträchtigungen gerechnet werden. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass der Beamte für die angestrebte Beamtenlaufbahn - auch gesundheitlich - geeignet ist. Vorauszusetzen ist damit eine psychische Konstitution des Beamten, die ihn dazu befähigt, sich mit einer im sachlichen Rahmen bleibenden Kritik auch dann konstruktiv auseinander zu setzen, wenn sie unberechtigt ist. Dementsprechend ist nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassen, dass der Beamte aufgrund einer den genannten Rahmen wahrenden Beurteilung dauerhaft erkranken und deswegen seinen Dienst nicht mehr - auch nicht an einer anderen Ausbildungsstelle - aufnehmen könnte. Vielmehr darf von dem Beamten erwartet werden, dass er Einwände gegen eine derartige Beurteilung in dem dafür vorgesehenen rechtsstaatlichen Verfahren erhebt.

Wer den Dienstherrn wegen Mobbing zur Rechenschaft ziehen will, muss die Verletzung von Pflichten darlegen und beweisen. Vgl. die Argumentation des Verwaltungsgerichts Würzburg (27.06.2006 - W 1 K 04/1027):
Ein solcher Anspruch setzt die Verletzung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht bzw. die Verletzung sonstiger beamtenrechtlicher Verpflichtungen auf Seiten des Dienstherrn voraus. Ein solcher Anspruch ist nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur durchaus neben einem Amtshaftungsanspruch i.S.d. Art 34 S. 1 GG i.V.m. § 839 BGB denkbar und möglich und kann getrennt verfolgt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist unter „Mobbing“ der Missbrauch der Stellung eines Vorgesetzten zu verstehen, um einen Untergebenen systematisch und fortgesetzt zu beleidigen, zu schikanieren und zu diskriminieren. In der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung handelt es sich bei „Mobbing“ um fortgesetzte, aufeinander aufbauende und ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen, die nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen. Ob ein systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren vorliegt, ist einzelfallabhängig. Dabei ist eine Abgrenzung zu dem in einem Betrieb im Allgemeinen üblichen oder rechtlich erlaubten und deshalb hinzunehmenden Verhalten erforderlich. Nicht jede Auseinandersetzung oder Meinungsverschiedenheit zwischen Vorgesetzten und Untergebenen erfüllt nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Würzburg den Begriff des „Mobbing“. Kurzfristigen Konfliktsituationen mit Vorgesetzten oder Arbeitskollegen fehlt regelmäßig die systematische Vorgehensweise. Es geht also immer um eine Gesamtheit der Handlungen, die eine Haftung aufgrund der Einzelereignisse verbindenden Systematik und ihres Fortsetzungszusammenhangs begründen. Immer ist ein Fortsetzungszusammenhang zwischen den jeweiligen Ereignissen notwendig.

Das Gericht konstatiert dann eine, unserer Auffassung nach sehr problematische Erweiterung der Begrifflichkeit: Das gegen eine Person gerichtete Verhalten erfolgt dann systematisch, wenn sich aus einer Kette von Vorfällen ein System erkennen lässt, meint das Gericht.

Das allerdings ist nach unserer Einschätzung eine Anforderung, die eine inhaltliche Komponente besitzt, für die wir keine gesetzliche Grundlage erkennen können. Denn würden etwa wiederholt und permanent Mobbing-Maßnahmen erfolgen, würde aber nicht erkennbar werden, dass hier ein System der Schikane dahintersteht, etwa einen Beamten zur Beendigung des Dienstverhältnisses zu bewegen.

Das Gericht führt noch weiterhin aus: Die Literatur geht davon aus, dass die Ursachen und Motive eines Mobbing vielschichtig sind, in der Regel sind mehrere Gründe gleichzeitig maßgeblich. Zweck des Mobbings ist regelmäßig die soziale Ausgrenzung des Opfers aufgrund eines Konflikts und schließlich die Verdrängung aus dem Arbeitsbereich. Ziel der Maßnahmen ist üblicherweise nicht der eigentliche Streitgegenstand, sondern die Person des Gegners.

Das ist sehr richtig beobachtet, denn regelmäßig findet ein Etikettenschwindel statt, der unter Umständen durch Mobbingkommissionen noch weiter kaschiert wird, m. a. Worten: Es gibt praktisch nie einen Mobber, der seine Mobbingabsicht einräumt.

Eine faire und offene Lösung erscheint den Akteuren stets zu riskant. Das Gericht unterscheidet zwischen Vorgesetzten-, Kollegen- und Mitarbeitermobbing. Ein oder mehrere Täter handeln mitunter planmäßig, um den eigenen Machtbereich zu festigen. Ebenso können mehrere Täter gegebenenfalls auch aus verschiedenen Hierarchieebenen heraus gemeinsam dieselbe Person aus völlig unterschiedlichen Motiven mobben, wobei sie lediglich die Zielstellung einigt.

Beamte - Dienstpflichten II

Irrtum

Weiß der Beamte, dass sein Verhalten rechtlich schlechthin verboten ist, so ist ein Irrtum darüber, ob sein Tun oder Unterlassen für ihn auch dienstrechtliche Folgen haben kann (z.B. weil er irrig annimmt, eine außerdienstlich begangene Straftat stelle kein Dienstvergehen dar), unbeachtlich. Denn ein solcher Irrtum betrifft die disziplinarrechtliche Relevanz der Tat. Dieser "Rechtsfolgenirrtum" ist im Disziplinarrecht irrelevant.

Sexuelle Zudringlichkeiten

Dienstvergehen aufgrund sexueller Belästigung am Arbeitsplatz führen nach dem Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahre 2009 nicht regelmäßig zu einer bestimmten Maßnahme. Die Handlungsbreite, in der sexuelle Zudringlichkeiten im Dienst denkbar sind, ist nach Auffassung des Gerichts zu umfangreich, als dass sie einheitlichen Regeln unterliegen und in ihren Auswirkungen auf Achtung und Vertrauen gleichermaßen eingestuft werden können. Immer sind die besonderen Umstände des Einzelfalls maßgeblich. In schweren Fällen innerdienstlicher sexueller Belästigung weiblicher oder männlicher Mitarbeiter, vor allem wenn der Beamte gerade unter Ausnutzung seiner Vorgesetzteneigenschaft versagt und dadurch nicht nur seine Integrität in der Dienststelle weitgehend einbüßt, sondern auch sein Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn schwer erschüttert, kann sich grundsätzlich die Frage seiner weiteren Tragbarkeit im öffentlichen Dienst stellen, während in minderschweren Fällen eine mildere Disziplinarmaßnahme verhängt werden kann.

Beamter - Dienstpflicht

Missbilligende Äußerungen eines Dienstvorgesetzten, die nicht ausdrücklich als Warnung oder Verweis bezeichnet werden (Zurechtweisungen, Ermahnungen, Rügen und dergleichen), sind im Zweifel keine Disziplinarstrafen. Bei solchen Missbilligungen ist nicht der Rechtsweg zu den Disziplinargerichten, sondern zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten gegeben. Beispielsweise in NRW: Der Verweis ist der schriftliche Tadel eines bestimmten Verhaltens. Missbilligende Äußerungen (Zurechtweisungen, Ermahnungen oder Rügen), die nicht ausdrücklich als Verweis bezeichnet werden, sind keine Disziplinarmaßnahmen. Der Rechtsschutz gegen Missbilligungen ist in der Landesdisziplinarordnung nicht den Disziplinargerichten zugewiesen. Für die Entscheidungen im förmlichen Disziplinarverfahren und für die richterliche Nachprüfung der aufgrund dieses Gesetzes ergehenden Anordnungen und Entscheidungen insbesondere der Dienstvorgesetzten sind die Disziplinargerichte ausschließlich zuständig. Das Recht, solche Missbilligungen auszusprechen, beruht auf dem allgemeinen Beamtenrecht, vor allem auf der Geschäftsleitungsbefugnis, Weisungsbefugnis und Aufsichtsbefugnis der Dienstvorgesetzten. Jedenfalls gegen eine Missbilligung, wie sie dem Kläger erteilt worden ist, kann der betroffene Beamte gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen. Denn der schriftlich erteilte förmliche Vorwurf dienstpflichtwidrigen Verhaltens ist geeignet, den Beamten in seinen Rechten zu verletzen, wenn er nicht berechtigt und folglich rechtswidrig ist. Gegen eine Missbilligung dieser Art ist deshalb verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegeben. Der Kläger hat sein Begehren zumindest auch als allgemeine Leistungsklage auf Widerruf gestellt. Hierbei kann offen bleiben, ob die umstrittene Missbilligung als anfechtbarer Verwaltungsakt (§ 42 VwGO) anzusehen ist. Jedenfalls erscheint ein Anspruch auf Widerruf möglich. Dem Beamten obliegt die allgemeine Dienstpflicht, daß sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die sein Beruf erfordert. Diese allgemeine Pflicht verlangt ua ein achtungsvolles und taktvolles Verhalten gegenüber Kollegen und Mitarbeitern. Dazu gehört, dass der Beamte Vorwürfe und Beschuldigungen gegen Kollegen und Mitarbeiter nur nach sorgfältiger Prüfung und in angemessener Form erheben darf. Erhebt er in einer Dienstaufsichtsbeschwerde schwerwiegende Vorwürfe gegen Kollegen und Mitarbeiter, so darf er deren Würde und Lauterkeit nicht über das zur Darstellung und Klärung der Vorwürfe notwendige Maß hinaus in Frage stellen. Der Beamte kann mit solchen Äußerungen in einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen diese Pflicht verstoßen. Zwar darf die Tatsache der Erhebung einer Dienstaufsichtsbeschwerde dem Beamten nicht zum Nachteil gereichen. Der Beamte hat hierbei aber seine Beamtenpflichten einzuhalten. Dabei ist zu beachten, dass dem Dienstvorgesetzten bei der Frage, ob und wie er im Falle einer Dienstpflichtverletzung eines Beamten einschreitet, ein weites Ermessen zusteht.

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