2013/09/12

Trennungsjahr - Härte - Streitigkeiten - Eheleute - Rechtsanwalt

Zu den Voraussetzungen des Trennungsjahrs

Immer wieder werden wir gefragt, ob man denn das Trennungsjahr abwarten müsse, weil sich der Ehegatte unerträglich verhalte und es nicht mehr hinzunehmen sei, noch länger auf eine Scheidung zu warten. 

Vgl. zu einer  typischen Argumentation das LG München (Abbildung unten):
Nach § 1565 Abs. 1 BGB ist Grundvoraussetzung der Scheidung, dass die Ehe gescheitert ist. Wechselseitige Streitigkeiten stellen keine ausreichenden Gründe für das Eingreifen der Härteklausel zu Gunsten des Antragstellers dar.
Oberlandesgericht München


Nach § 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt das Getrenntleben der Ehegatten in objektiver Hinsicht voraus, dass zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft mehr besteht. Es reicht insoweit nicht aus, dass die häusliche Gemeinschaft eingeschränkt ist. Gerade beim Getrenntleben in der ehelichen Wohnung darf kein gemeinsamer Haushalt mehr geführt werden und es dürfen keine wesentlichen persönlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten mehr bestehen. Auf die Beweggründe, die die Parteien im Einzelfall dazu bestimmt haben, die gemeinschaftliche Haushaltsführung in wesentlichen Teilen aufrecht zu erhalten, kommt es nicht entscheidend an (vgl. BGH NJW 1997, 105).

Nach dem gemeinsamen Vortrag der Parteien wurden noch bis Mitte des Jahres 2000 gemeinsame Mahlzeiten eingenommen. Nach seinem eigenen Vortrag hat der Antragsteller auch die Mittel für die Haushaltsführung zur Verfügung gestellt, weshalb von einem Bestehen der häuslichen Gemeinschaft auszugehen ist. Auch wenn der Antragsteller den ehelichen Willen und die eheliche Empfindung nicht mehr aufrecht zu erhalten vermag und eine deutliche Entfremdung der Ehegatten festzustellen war, muss diese Entfremdung sich jedoch äußerlich durch eine entsprechende Trennungsdauer manifestieren.
Nach der überwiegenden Rechtsprechung bleibt es dabei, dass die Unterhaltung eines gemeinsamen Haushalts das Getrenntleben grundsätzlich ausschließt, mögen die ehelichen Gefühle auch noch so erloschen sein. 

Wegen der Vermutungswirkung des Getrenntlebens ist der objektive Zustand als das äußere Erscheinungsbild abgesonderter Lebensbereiche der Eheleute festzustellen.

Mit der ausdrücklichen Aufnahme des besonderen Tatbestands des Getrenntlebens in das Gesetz wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass die häusliche Gemeinschaft auch dann nicht mehr besteht, wenn die Ehegatten eine vollkommene tatsächliche Trennung innerhalb der ehelichen Wohnung herbeigeführt haben. Eine vollkommene Trennung ist aber nur in sehr großen Wohnungen mit mehreren Küchen, Bädern usw., zu realisieren. In solchen Fällen darf vom Erscheinungsbild einer strikten ausnahmslosen Trennung nicht abgewichen werden. 

In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Benutzung der nur einmal vorhandenen Räume und Wohnungseinrichtungen, auf die ein Mensch angewiesen ist, beiden Ehegatten möglich sein muss (Flur, Küche, Toilette, Bad, Waschküche, Kellerraum); dort ist ein gelegentliches Aufeinanderzugehen der Eheleute mit der Annahme des Getrenntlebens vereinbar.

Im vorliegenden Fall wohnten die Parteien jedoch in einem äußerst großen Anwesen von über 400 qm Wohnfläche, in dem es eine Vielzahl von Zimmern und auch zwei Bäder gibt, wie der Antragsteller im Termin vom 23.05.2001 vorgetragen hat. Es wäre zwischen den Parteien somit ein getrenntes Wohnen und Schlafen ebenso möglich gewesen wie eine Aufteilung der Bäder. Eine solche Aufteilung des großen Hauses haben die Parteien jedoch nicht, vorgenommen. Dies trägt nicht einmal der Antragsteller vor. Obwohl sich im ersten Stock des Hauses außer dem ehelichen Schlafzimmer noch ein Computerzimmer und das ehemalige Zimmer der Ende 1999 ausgezogenen Tochter Natalie befanden, hatten
 die Parteien bis in den Sommer des Jahres 2000 im gemeinsamen Schlafzimmer genächtigt.

Entscheidend aber ist, dass sie die beiden im ersten Stock des Anwesens befindlichen Bäder nicht aufgeteilt haben und auch bezüglich der anderen Räume keine Nutzungsregelung getroffen haben. Diese Tatsache der Lebensführung im gemeinsamen Haus bringt nach Überzeugung des Senats so viele hauswirtschaftliche und persönliche Berührungen der Ehegatten mit sich, dass nur von der Fortsetzung einer eingeschränkten häuslichen Gemeinschaft, nicht aber von deren Aufhebung gesprochen werden kann.
Im Hinblick auf diese Gegebenheiten zeigen auch sehr reduzierte Haushaltstätigkeiten an, dass die Eheleute eine tatsächliche Absonderung in allen Lebensbereichen noch nicht konsequent durchgeführt haben, und indizieren gerade das nicht, was das Getrenntleben als Vermutungsbasis leisten soll. Außer den der Versorgung und Hygiene dienenden Räume darf im übrigen auch kein Zimmer der Wohnung gemeinsam genutzt werden. Dies scheint wegen der Schwierigkeiten der Absprache über die Benutzung hin und wieder in der Praxis schwer zu fallen; die tatsächlichen Probleme dürfen jedoch nicht dazu führen, den Getrenntlebensbegriff aufzuweichen und Rechtsunklarheit zu schaffen. Dies kann im Interesse der inneren Glaubwürdigkeit der Vermutungswirkungen (§ 1566 BGB) nicht gebilligt werden. 

Im vorliegenden Fall ist das Anwesen der Parteien groß genug, dass sie eine tatsächliche Trennung herbeiführen hätten können. Die Bäder hätten aufgeteilt werden können, vorhandene Zimmer hätten zu Wohnbereichen gemacht werden können. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass sich im Haus der Parteien lediglich ein Fernsehapparat befindet, den man gemeinsam benutzen muss.

Nach dem Ergebnis der Parteianhörungen und dem Akteninhalt ist der Senat deshalb zu der Überzeugung gelangt, dass objektiv gesehen kein Getrenntleben von über einem Jahr vorliegt.

Sinn und Funktion des § 1567 Abs. 1 BGB ist es, dass Ehegatten, die mit- dem Getrenntleben die Scheidung einleiten wollen, damit das Ziel einer vollständigen Trennung ihrer beiderseitigen Lebensbereiche anstreben, selbst wenn sie wirtschaftlich bedrängt sind, was bei den Parteien dieses Rechtsstreits nicht der Fall ist. Außerdem entspricht es dem Zweck des durch § 1565 Abs. 2 BGB grundsätzlich geforderten Trennungsjahres, wenn sich die Ehegatten möglichst frühzeitig über die Realitäten einer vollständigen Trennung nebst ihren Langzeitwirkungen klar werden und prüfen, ob sie sie aushalten. Es besteht daher kein überzeugender Grund, ihnen die wirtschaftlichen und sonstigen Unannehmlichkeiten, die ihnen nach der Scheidung nicht erspart bleiben, vor der Scheidung auf dem Felde der gesetzlichen Anforderungen an das Getrenntleben und damit an die Scheidungsvoraussetzungen nicht zuzumuten.

Im vorliegenden Fall lag keine tatsächliche und konsequente Absonderung aller Lebensbereiche vor. Dies hat auch nichts mit den Gemeinsamkeiten zu tun, die die Parteien unter Umständen mit Rücksicht auf den minderjährigen Sohn aufrecht erhalten haben. Grundsätzlich ist aber die Feststellung eines Getrenntlebens ausgeschlossen, wenn mit Rücksicht auf das psychische Empfinden eines Kindes weiterhin regelmäßig gekocht und gegessen wird. Ein solches, vom Antragsteller in Abrede gestelltes gemeinsames Essen ist jedoch im vorliegenden Fall unbeachtlich, da es bereits an der Voraussetzung eines objektiven Trennungszustands fehlt..." (OLG München - 12 UF 820/01 - 04.07.2001). 

Wir sind gerne bereit, Ihren Fall darauf zu untersuchen, ob eine solche Härte vorliegt. Schicken Sie uns ein Email. Ihre Rechtsanwaltskanzlei Dr. Palm. 


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