Sachverhalt
- In einem Arbeitsvertrag wird zwar ein Wettbewerbsverbot vereinbart, aber
es gibt keine Regelung über eine Karenzentschädigung. Was gilt jetzt?
1. Zunächst
gilt: Während des rechtlichen Bestehens des Arbeitsverhältnisses ist dem
Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines
Arbeitgebers untersagt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der
Arbeitsvertrag keine ausdrücklichen Regelungen enthält. Die Verletzung eines für
die Dauer des Arbeitsverhältnisses bestehenden Wettbewerbsverbots kann sogar
ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein.
2. a. Ausgangspunkt für das nachvertragliche Verbot ist § 74 HGB:
(1) Eine Vereinbarung zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen, die den Gehilfen für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt (Wettbewerbsverbot), bedarf der Schriftform und der Aushändigung einer vom Prinzipal unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenden Urkunde an den Gehilfen.
(2) Das Wettbewerbsverbot ist nur verbindlich, wenn sich der Prinzipal verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht.
Wird lediglich mündlich
vereinbart, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Karenzentschädigung in
der gesetzlichen Mindesthöhe als Gegenleistung für ein schriftlich
vereinbartes nachvertragliches Wettbewerbsverbot schuldet, ist das
nachvertragliche Wettbewerbsverbot gleichwohl nichtig.
b. Gemäß § 74a
HGB ist ein Wettbewerbsverbot nach der Rechtsprechung insoweit schon
unverbindlich, als es nicht zum Schutz eines berechtigten geschäftlichen
Interesses des Prinzipals dient und das berufliche Fortkommen des
Handlungsgehilfen unbillig erschwert. Das Interesse des Arbeitgebers muss also
wohl begründet sein. Hierbei genügt das Interesse, Konkurrenz einzuschränken,
noch längst nicht. Schützenswert im Sinne des § 74a HGB ist allein das
Interesse des Arbeitgebers daran, dass der Arbeitnehmer Kenntnisse, welche er während
der Tätigkeit für den Arbeitgeber erlangt und Kontakte, die er während dieser
Tätigkeit geknüpft hat, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und während
des Bestehens eines Wettbewerbsverbotes zu Gunsten eines Konkurrenten, also
gegen den bisherigen Arbeitgeber ausnutzt. Dagegen liegt eine unbillige
Erschwerung des beruflichen Fortkommens des Arbeitnehmers vor, wenn der
Arbeitgeber mit dem Wettbewerbsverbot nur die Absicht hat, jede Stärkung der
Konkurrenz durch den Arbeitsplatzwechsel zu verhindern, ohne dass die Gefahr der
Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen oder des Einbruchs in den Kundenstamm überhaupt
zu befürchten ist.
3. Hat man als Arbeitnehmer
ein Wahlrecht?
a.
Eine Vertragsbestimmung, in der sich ein Arbeitgeber
vorbehält, bei Ausscheiden des
Arbeitnehmers diesem ein Wettbewerbsverbot aufzuerlegen, ist für den
Arbeitnehmer nach einer Grundsatzentscheidung des BAG unverbindlich.
Der
Arbeitnehmer hat dann die Wahl, ob er sich auf die Unverbindlichkeit
berufen oder aber Wettbewerb unterlassen und dafür Karenzentschädigung
beanspruchen will. Für einen Anspruch auf
Karenzentschädigung aus einem für den Arbeitnehmer unverbindlichen
Wettbewerbsverbot genügt es, wenn der Arbeitnehmer sich zu Beginn der
Karenzzeit endgültig für das Wettbewerbsverbot entscheidet und seiner
Unterlassungsverpflichtung nachkommt. Einer darüber hinausgehenden Erklärung
gegenüber dem Arbeitgeber bedarf es nicht. Der Anspruch auf Karenzentschädigung
setzt nach der Senatsrechtsprechung voraus, dass der Arbeitnehmer das
Wettbewerbsverbot insoweit einhält, als es nach § 74a Abs. 1 HGB verbindlich
ist. Die Einhaltung auch in seinem unverbindlichen Teil ist nicht erforderlich.
b.
Was aber ist, wenn die Karenzentschädigungsregelung vollständig fehlt?
Hat
der Arbeitnehmer dann auch noch ein Wahlrecht? Wenn das Wettbewerbsverbot nichtig
ist, ist nicht ersichtlich, dass der
Arbeitnehmer ein Wahlrecht hat, meint das Bundesarbeitsgericht: Eine
Wettbewerbsabrede, die für die Karenz des Arbeitnehmers keine Entschädigung
des Arbeitgebers vorsieht, ist nichtig (Senatsurteil 1994). Weder der
Arbeitnehmer noch der Arbeitgeber können aus einer solchen Abrede Rechte
herleiten. Der
Arbeitnehmer erwirbt auch dann keinen Anspruch auf eine Entschädigung, wenn er
sich des Wettbewerbs enthält. Hier gibt
es also kein Wahlrecht. Der Grund liegt nach dem BAG darin, dass im Fall des
Fehlens einer Karenzentschädigung die in § 74 Abs. 2 HGB bestimmte Rechtsfolge
eines Wahlrechts des Arbeitnehmers wirtschaftlich keinen Sinn mache.
c.
Besteht dann doch noch eine Möglichkeit, aus dem nichtigen
Wettbewerbsverbot wenigstens eine
Mindestkarenzentschädigung abzuleiten?
Dieses
Ergebnis wird von einigen Kommentatoren als "unbefriedigend" beurteilt
und ein Anspruch des Arbeitnehmers auf die Mindestentschädigung
iSv. § 74 Abs. 2 HGB jedenfalls dann befürwortet,
wenn dem Arbeitnehmer die Rechtslage nicht
bewusst gewesen sei. Für ihn bestehe -
wie das BAG auf diese Meinung hin referiert - die
Gefahr, dass er das Wettbewerbsverbot für verbindlich halte, und sich bei
seiner neuen beruflichen Orientierung auch dann danach richte, obwohl er keinen
oder nur den vertraglich vereinbarten Entschädigungsanspruch habe. Der
Streitfall bot keinen Anlass zur abschließenden Klärung dieser Rechtsfrage.
Denn dem Kläger im BAG-Fall war, wie sich aus einem Schreiben an den
Arbeitgeber ergab, die Nichtigkeit des entschädigungslos vereinbarten
Wettbewerbsverbots bekannt.
Der
ausgeschiedene Angestellte kann nach dem LAG Berlin daraus keinen
Entschädigungsanspruch in Höhe der Mindestentschädigung nach § 74 Abs 2 HGB
herleiten. Dies gilt auch dann, wenn in
einer allgemeinen Präambel zum Arbeitsvertrag auf die gesetzlichen Bestimmungen
verwiesen wird, soweit der Vertrag keine günstigeren Vereinbarungen enthält,
vgl. Landesarbeitsgericht Berlin 2003. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht
Rheinland-Pfalz das im Jahre 2002 etwas anders gesehen:
Wenn
man nicht fordert, dass der Arbeitgeber von einem nichtigen Vertragsteil in der
vertraglich vorgesehenen Form abzurücken hat, so ist die gesetzliche
Mindestregelung des § 74 Abs. 2 HGB zu beachten, wenn der Arbeitnehmer
mitgeteilt hat, dass er sich an das Wettbewerbsverbot halten werde. Denn immer
dann, wenn vertragliche Vereinbarungen nichtig sind, sei der gesetzliche Rahmen
zu beachten, so dass eine Mindestentschädigung für den Kläger in Betracht
kommt, was das Bundesarbeitsgericht in dem genannten Fall auch für möglich
gehalten hat. Allerdings darf sich der Kläger der Rechtslage bezüglich der
Verbindlichkeit der Wettbewerbsabrede nicht bewusst gewesen sein.
Rechtsanwalt Dr. Palm