Außergewöhnliche Härte Die familiäre Verbundenheit zwischen Eltern und erwachsenen Kindern ist regelmäßig nicht so beschaffen, dass von Verfassungs wegen die Ermöglichung des Familiennachzugs geboten wäre. Etwas anderes gilt daher nur, wenn die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft erfüllt, weil ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen angewiesen ist und sich diese Hilfe ausschließlich in der Bundesrepublik Deutschland erbringen lässt. Nach § 36 Abs. 2 AufenthG kann einem sonstigen Familienangehörigen eines Ausländers zum Familiennachzug eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist. Das mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der „außergewöhnlichen Härte“ erfasste Tatbestandsmerkmal bezeichnet im Vergleich mit dem im Aufenthaltsgesetz an anderer Stelle verwendeten Begriff der „besonderen Härte“ noch gesteigerte Anforderungen. Danach müssen die Besonderheiten des Einzelfalles nach Art und Schwere so ungewöhnlich und groß sein, dass die Folgen der Visumsversagung unter Berücksichtigung des Zwecks der Nachzugsvorschriften, die Herstellung und Wahrung der Familieneinheit zu schützen, sowie des Schutzgebots aus Artikels 6 des Grundgesetzes schlechthin unvertretbar wären. Man sollte also klar sehen, dass es sich in der Rechtsprechungspraxis um die Anwendung einer Ausnahmevorschrift mit entsprechend hohen Zugangshürden handelt. Sind die Personen, zu denen der Familiennachzug stattfinden soll, deutsche Staatsangehörige, ist die Vorschrift entsprechend anzuwenden, vgl. 28 Abs. 4 AufenthG. Die Frage, ob das Aufenthaltsrecht zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist, unterliegt als Tatbestandsvoraussetzung der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Bei der Auslegung und Anwendung des Begriffs der außergewöhnlichen Härte ist Art. 6 Abs. 1 GG Rechnung zu tragen, wobei die Reichweite der Schutzwirkungen dieses Grundrechts durch das Gewicht der familiären Bindungen im jeweiligen Einzelfall beeinflusst wird. Danach gebietet die familiäre Verbundenheit zwischen Eltern und erwachsenen Kindern regelmäßig nicht die Ermöglichung des Familiennachzugs. Vielmehr setzt die Annahme einer außergewöhnlichen Härte nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängervorschrift des § 22 AuslG grundsätzlich voraus, dass der im Bundesgebiet oder im Ausland lebende Familienangehörige ein eigenständiges Leben nicht führen kann, sondern auf die Gewährung familiärer Lebenshilfe angewiesen ist und dass diese Hilfe zumutbarer Weise nur im Bundesgebiet erbracht werden kann. Die mit der Versagung der Aufenthaltserlaubnis eintretenden Schwierigkeiten für den Erhalt der Familiengemeinschaft müssen nach ihrer Art und Schwere so ungewöhnlich und groß sein, dass die Versagung der Aufenthaltserlaubnis als schlechthin unvertretbar anzusehen ist. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass der im Ausland lebende Familienangehörige generell nicht in der Lage ist, ein eigenständiges Leben zu führen, sondern auf die Gewährung familiärer Lebenshilfe angewiesen ist und dass diese Hilfe in zumutbarer Weise nur im Bundesgebiet durch einen dortigen Angehörigen erbracht werden kann. Ein solches Bedürfnis kann etwa bei schwerwiegender Erkrankung oder Behinderung und/oder bei fortgeschrittenem Alter mit Pflegebedürftigkeit vorliegen und sich auch auf eine unabdingbare psychische Unterstützung beziehen. |
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Die Familie muss im Kern die Funktion einer
Beistandsgemeinschaft
erfüllen, dergestalt, dass ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines
anderen Familienmitglieds angewiesen ist und sich diese Hilfe nur in
Deutschland erbringen lässt.
Eine Beistandsgemeinschaft entstehe vielmehr, sobald ein
Familienmitglied auf Lebenshilfe angewiesen sei und ein anderes
Familienmitglied diese Hilfe tatsächlich regelmäßig erbringe. Unschädlich
sei, wenn die Lebenshilfe wegen Berufstätigkeit
nur in der Freizeit
geleistet werde, solange es sich um die wesentliche Hilfe für den
Familienangehörigen handle. Es sind daher die Auswirkungen der Erkrankung
der Antragstellerin, die konkret erforderlichen Unterstützungsmaßnahmen
sowie die Folgen bei deren Unterlassung vorliegend zu klären, um
beurteilen zu können, ob der Antragstellerin tatsächlich aufgrund ihres
Gesundheitszustands kein eigenständiges Leben
allein in dem jeweiligen Ausland möglich wäre. Bei
unterstellter Pflegebedürftigkeit des Ausländers wird genau geprüft, ob
die entsprechende Hilfe in zumutbarer Weise nur im Bundesgebiet erbracht
werden kann.
Fall: Der im
Ausland lebende Ehemann
und die noch verbliebene Schwester einer Antragstellerin schieden z.B. alters-
und krankheitsbedingt als Pflegepersonen aus, so dass es
keiner Erörterung bedarf, ob etwa der getrennt lebende Ehemann rechtlich
verpflichtet wäre, die Antragstellerin zu pflegen. Die Annahme einer außergewöhnlichen
Härte setzt allerdings nach der Rechtsprechung voraus, dass die tatsächlich
geleistete Lebenshilfe nur in Deutschland erbracht werden kann, weil dem
beteiligten Familienmitglied ein Verlassen der Bundesrepublik nicht
zumutbar ist. Dies wurde in dem Fall
des VG München aus dem Jahre 2006 bejaht:
Beide Töchter der
Antragstellerin sind deutsche Staatsangehörige, so dass von ihnen nicht
verlangt werden kann, zum Zwecke der Pflege der Antragstellerin ihren
Wohnsitz für längere Zeit ins Ausland zu verlegen, zumal nach den ärztlichen
Befunden davon auszugehen ist, dass eine Minderung oder ein Wegfall der
Pflegebedürftigkeit ihrer Mutter nicht eintreten wird und es sich daher
um einen unabsehbaren Zeitraum handeln würde.
Denn auch dann, wenn die Antragstellerin unter Verstoß gegen die
Visumsvorschriften eingereist sein sollte, führt dies nicht zwangsläufig
zur Ablehnung ihres streitgegenständlichen Antrags auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis nach § 36 AufenthG. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG
kann von der Einhaltung der Visumsvorschriften abgesehen werden, wenn die
Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erfüllt
sind oder es aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar
ist, das Visumsverfahren nachzuholen. Wichtig aber nach dem VG München:
Insbesondere ist der Lebensunterhalt der Antragstellerin gesichert (§ 5
Abs. 1 Nr. 1). Sie kann ihn einschließlich ausreichenden
Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel
bestreiten (§ 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Sie verfügt zwar selbst über
kein Einkommen, jedoch werden beim Familiennachzug die Beiträge der
Familienangehörigen zum Haushaltseinkommen zu berücksichtigen (§ 2 Abs.
3 Satz 3 AufenthG).
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2014/03/11
Familiennachzug Ausländer Härte Krankheit Krankenversicherung
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