Wenn der Gutachter einen Fehler
macht, hat eine Prozesspartei ein Nachsehen. Die Tätigkeit eines
Sachverständigen ist fehleranfällig, weil es regelmäßig komplexere Sachbereiche
sind, die Fragen aufwerfen. Anderenfalls könnte der Richter schließlich selbst
ohne Sachverständige zu notwendigen Sachverhaltsbewertungen kommen. Das Gesetz
sieht für die Haftung eines Sachverständigen folgende Regel vor: "Erstattet
ein vom Gericht ernannter Sachverständiger vorsätzlich oder grob fahrlässig ein
unrichtiges Gutachten, so ist er zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der
einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die
auf diesem Gutachten beruht." Der Verschuldensmaßstab zeigt bereits an,
dass der Sachverständige nicht für jeden Fehler haften soll. In der Praxis ist
eine Gutachterhaftung nicht leicht zu begründen.
Das von dem Sachverständigen
erstellte Gutachten ist nach der Rechtsprechung unrichtig, wenn es nicht der
objektiven Sachlage entspricht. Das
klingt logisch, aber sagt noch so viel aus. Das ist z.B. dann der Fall, wenn
der Sachverständige unrichtige Tatsachenfeststellungen trifft oder fehlerhafte
Schlussfolgerungen zieht oder eine Sicherheit vorspiegelt, obwohl nur ein
Wahrscheinlichkeitsurteil möglich ist. Gerade im Arztrecht gibt es hier
zahlreiche Varianten, die die Frage nach dem Sachverhalt schwierig gestalten
können. Beispiel: Gibt es indessen mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte
und übliche Behandlungsmethoden, die wesentlich unterschiedliche Risiken und
Erfolgschancen aufweisen, besteht mithin eine echte Wahlmöglichkeit für den
Patienten, dann muss diesem nach entsprechend vollständiger ärztlicher
Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben, auf welchem Wege die Behandlung
erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen will. Soll später ein
Gutachter einschätzen, ob hier die Risikoaufklärung ausreichend war, können
sich Konflikte ergeben, die die Frage nach der Begutachtung zum eigentlichen
Streitpunkt machen. Die Rechtsprechung hat hier die Nachweispflichten für
Kläger sehr hoch angesetzt. Soweit es um anzuwendende Untersuchungsmethoden und
Begutachtungskriterien, kann nach der Rechtsprechung von einem Kläger erwartet
werden, dass er die vermeintlichen Nachlässigkeiten oder Unterlassungen des
Sachverständigen benennt und nicht nur auf bloße Abweichungen des Ergebnisses
zu einem anderen Gutachten hinweist. Dass Sachverständigengutachten zu
unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, ist nicht ungewöhnlich und rechtfertigt
noch nicht den Schluss, dass der Gutachter subjektiv grob sorgfaltspflichtwidrig
gehandelt hat.
Ein Verkehrswertgutachten nach §
74a Abs. 5 Satz 1 ZVG ist nach der Rechtsprechung nur dann
"unrichtig" im Sinne von § 839a BGB, wenn der in ihm festgestellte
Verkehrswert nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Bei der
Ermittlung des Verkehrswerts eines (bebauten) Grundstücks sind kleinere
Diskrepanzen nach dem Bundesgerichtshof zwischen dem vom Regressgericht
festgestellten und dem vom Sachverständigen ermittelten Verkehrswert
unvermeidbar. Solche Abweichungen dürfen nicht ohne weiteres zu Lasten des
Sachverständigen gehen. Ungenauigkeiten müssen also bei Gutachten hingenommen
werden, wenn sie nicht für grobe Fahrlässigkeit sprechen und entsprechende
Auswirkungen auf die richterliche Entscheidung haben.
Gesetz und Rechtsprechung haben
einige Hindernisse aufgebaut, Sachverständige nicht einfach deshalb mit
Schadensersatzforderungen zu überziehen, weil einer Partei die
Prozessergebnisse nicht gefallen. Mitunter ist es, dass der eigene privat
beauftragte Gutachter andere Ergebnisse präsentiert als der vom Gericht
beauftragte. Der gerichtliche Sachverständige haftet zunächst nur dann für eine
falsche Begutachtung, wenn die von ihm mitgeteilten Erkenntnisse Grundlage
einer gerichtlichen Entscheidung geworden sind. So ist jedes Urteil darauf zu
untersuchen, ob das Gutachten für das Prozessergebnis relevant geworden ist.
Eine Anwendung von § 839a BGB scheidet nach der Rechtsprechung zum Beispiel dann
aus, wenn unter dem Druck eines ungünstigen Falschgutachtens ein später als unfair
eingeschätzter Vergleich geschlossen wird. In derartigen Fällen ist nach der
Rechtsprechung eine Schadensersatzpflicht des Gerichtsgutachters nur noch unter
den engen Voraussetzungen des § 826 BGB ("Wer in einer gegen die guten
Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem
anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet") denkbar. Solche Fälle einer
sittenwidrigen Schädigung durch einen Gutachter werden höchst selten vorliegen.
Entscheidend für die Bewertung
von Gutachterfehlern ist der Sorgfaltsmaßstab, also die Frage, ob zu erwarten
war, dass der Sachverständige den Fehler hätte erkennen müssen. Grobe
Fahrlässigkeit erfordert nach dem BGH, dass der Gutachter unbeachtet gelassen
hat, was jedem Sachkundigen einleuchten muss, und dass seine Pflichtverletzung
schlechthin unentschuldbar ist. Es ist deshalb auch typischerweise nicht ohne
weiteres in der Lage, fachliche Mängel des Gutachtens zu erkennen.
Voraussetzung für den
Schadensersatzanspruch ist nicht nur ein unrichtiges Gutachten, sondern im
Übrigen eine auf diesem Gutachten beruhende Entscheidung sowie ein durch die Entscheidung entstandener Schaden. Hat das
Familiengericht nach Einholung eines Gutachtens den Antrag des Kindesvaters auf
Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für seine Kinder zurückgewiesen,
ist ein vom Kindesvater gegen den Sachverständigen mit der Behauptung der
Unrichtigkeit des Gutachtens aufgrund des § 839a BGB erhobener Anspruch auf
Ersatz des ihm durch die Kostenentscheidung entstandenen Schadens unbegründet.
Denn es könne nicht festgestellt werden, dass das - unterstellt - unrichtige
Gutachten für den vom Kindesvater geltend gemachten Schaden kausal geworden ist,
wenn etwa die Kostenfolge auch ohne das Gutachten gleich ausgefallen wäre.
Wenn Sie einen solchen Fall
haben, kontaktieren Sie uns. Wir können im Regelfall in einer Erstberatung
schon erkennen, ob hier Ansprüche gegen einen Sachverständigen berechtigt sein
könnten.
Rechtsanwalt Dr. Palm