2016/01/06

Rückzahlung von Fortbildungskosten (Weiterbildungskosten, Ausbildungskosten etc.)

Eine Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich von Weiterbildungskosten oder Kosten für die Fortbildung oder Auszahlung muss einerseits bei verständiger Betrachtung einem billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen und andererseits der Arbeitnehmer mit der Fortbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten haben.

Die für den Arbeitnehmer zumutbaren Bindungen sind auf Grund einer Güter- und Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Die Rechtssprechung ist hier sehr einzelfallbezogen und nimmt oft an "Kleinigkeiten" Anstoß, um den Arbeitnehmer vor weit reichenden Rückzahlungen zu schützen und nicht den Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber zu verhindern.

Eine vom Arbeitgeber in einem Formulararbeitsvertrag aufgestellte Klausel, nach welcher der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber getragene Fortbildungskosten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne jede Rücksicht auf den Beendigungsgrund zurückzahlen muss, wäre unwirksam. Sie benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen. Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ist es nach dem Bundesarbeitsgericht nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden des Arbeitnehmers zu knüpfen, das innerhalb der mit der Klausel vorgesehenen Bindungsfrist stattfindet. 

Hätte der Arbeitnehmer die in seine Aus- und Weiterbildung investierten Betriebsausgaben auch dann zu erstatten, wenn die Gründe für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers zuzurechnen sind, würde er mit den Kosten einer fehlgeschlagenen Investition des Arbeitgebers belastet. Sieht eine Vertragsklausel auch für einen solchen Fall eine Rückzahlungspflicht vor, berücksichtigt sie entgegen § 307 Abs. 1 BGB nicht die wechselseitigen Interessen beider Vertragspartner, sondern nur diejenigen des Arbeitgebers. Dadurch wird der Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt. Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Eine Rückzahlungsklausel stellt nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung dar, wenn es der Arbeitnehmer in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungspflicht zu entgehen. Die Dauer der Bildungsmaßnahme ist ein sehr starker Anhaltspunkt für die Qualität der erworbenen Qualifikation und muss daher in besonderem Maße bei der Interessenabwägung berücksichtigt werden.  

Von der Rechtsprechung sind beispielhaft Richtlinien zur Beurteilung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Fortbildungsmaßnahme und Bindungsdauer herausgearbeitet worden.

Typische Relationen sind danach: Bei einer Lehrgangsdauer von bis zu einem Monat ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung darf höchstens eine sechsmonatige Bindung, bei einer Lehrgangsdauer von bis zu zwei Monaten eine einjährige Bindung, bei einer Lehrgangsdauer von drei bis vier Monaten eine zweijährige Bindungsfrist  und bei einer Lehrgangsdauer von sechs Monaten bis zu einem Jahr ohne Arbeitsverpflichtung im Regelfall keine längere Bindung als drei Jahre  vereinbart werden.

Eine vereinbarte Bindungsdauer von drei Jahren bei einer knapp zweimonatigen Fortbildung eines Schweißers zum Auftragsschweißer benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 S 1 BGB. Eine fünfjährige Bindungsdauer setzt eine mehr als zwei Jahre andauernde Fortbildungsmaßnahme voraus. Bei einer Lehrgangsdauer von drei bis vier Monaten ohne Arbeitsverpflichtung hat das BAG eine Bindungsdauer von zwei Jahren für zulässig gehalten und angemerkt, dass eine längere Bindungsdauer in derartigen Fällen regelmäßig unzulässig ist. Hohe Aufwendungen des Arbeitgebers (Tatfrage) allein reichen indessen nicht, die Bindungsdauer über das übliche Maß hinaus zu verlängern.

Diese Richtwerte der Rechtsprechung gelten aber ohnehin nur im Regelfall, sodass im Einzelfall auch bei kürzerer Dauer der Fortbildung eine längere Bindung gerechtfertigt sein kann, wenn der Arbeitgeber beispielsweise erhebliche Mittel aufwendet und die Fortbildung dem Arbeitnehmer ganz besondere Vorteile bringt. Denn die für den Arbeitnehmer tragbaren Bindungen sind aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Die Rückzahlungsverpflichtung ist auch im Zusammenhang mit dem „Marktwert“ des Arbeitnehmers durch die erworbene Zusatzqualifikation zu sehen, wenn seine beruflichen Möglichen in einem besonderen Maße gestiegen sind. Eine Kostenbeteiligung ist dem Arbeitnehmer um so eher zuzumuten, je größer der mit der Fortbildung verbundene berufliche Vorteil für ihn ist. Dieser kann darin bestehen, dass der Arbeitnehmer eine Ausbildung erhält, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder im Bereich des bisherigen Arbeitgebers berufliche Möglichkeiten eröffnet, die ihm zuvor verschlossen waren. Auch Fortbildungsmaßnahmen können für einen Arbeitnehmer einen geldwertem Vorteil darstellen, sei es, sodass er etwa bei seinem bisherigen Arbeitgeber die Voraussetzungen einer höheren Vergütung erfüllt oder sich die erworbenen Kenntnisse auch anderweitig nutzbar machen lassen. Demgegenüber scheidet eine Kostenbeteiligung des Arbeitnehmers in der Regel aus, wenn die Fortbildung nur innerbetrieblich von Nutzen ist oder lediglich der Auffrischung von vorhandenen Kenntnissen oder der Anpassung dieser Kenntnisse an vom Arbeitgeber veranlasste neuere betriebliche Gegebenheiten dient.

Eine Klausel über die Rückerstattung von Fortbildungskosten muss für den Arbeitnehmer klar und verständlich sein. Eine Rückzahlungsklausel, die den Arbeitnehmer im Unklaren über die tatsächlichen Ausbildungskosten lässt, auf die sich die Rückzahlungspflicht allenfalls beziehen kann, entspricht nicht dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Das Bundesarbeitsgericht hat in einer aktuellen Entscheidung dazu noch einmal präzisierend Stellung genommen. Dem Transparenzgebot ist danach nur genügt, wenn die ggf. zu erstattenden Kosten dem Grunde und der Höhe nach im Rahmen des Möglichen angegeben sind. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Anforderungen, die an die Transparenz einer Rückzahlungsvereinbarung zu stellen sind, nicht überzogen sein dürfen. Der Verwender der Klausel ist nicht verpflichtet, die Kosten der Ausbildung bei Abschluss der Rückzahlungsvereinbarung exakt der Höhe nach zu beziffern. Im Sinne eines Ausgleichs der widerstreitenden Interessen von Klauselverwender und Vertragspartner müssen die Angaben jedoch so beschaffen sein, dass der Vertragspartner sein Rückzahlungsrisiko abschätzen kann. Dazu sind zumindest Art und Berechnungsgrundlagen der ggf. zu erstattenden Kosten anzugeben. Ohne die genaue und abschließende Bezeichnung der einzelnen Positionen (z.B. Lehrgangsgebühren, Fahrt-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten), aus denen sich die Gesamtforderung zusammensetzen soll, und der Angabe, nach welchen Parametern die einzelnen Positionen berechnet werden (z.B. Kilometerpauschale für Fahrtkosten, Tagessätze für Übernachtungs- und Verpflegungskosten), bleibt für den Vertragspartner unklar, in welcher Größenordnung eine Rückzahlungsverpflichtung auf ihn zukommen kann, wenn er seine Ausbildung abbricht. Ohne diese Angaben kann der Vertragspartner sein Zahlungsrisiko nicht abschätzen und bei Vertragsschluss in seine Überlegungen einbeziehen. Zudem eröffnet das Fehlen solcher Angaben dem Verwender der Klausel vermeidbare Spielräume.


Eine unwirksame Rückzahlungsklausel kann nach einem Teil der Rechtsprechung weder mit der zulässigen Bindungsdauer im Wege der geltungserhaltenden Reduktion aufrechterhalten werden noch kommen gesetzliche Vorschriften bzw. richterrechtliche Rechtsgrundsätze i.S.d. § 306 Abs 2 BGB oder eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht, d.h. die Regelung wäre schlicht rechtswidrig und keine Rechte daraus abzuleiten. Die unzulässig lange Dauer der vereinbarten Bindung macht eine Rückzahlungsklausel aber nicht automatisch insgesamt unzulässig, wenn sie einzelvertraglich vereinbart ist Die Bindungsdauer einer einzelvertraglichen Klausel wäre dagegen auf das zulässige Maß zurückzuführen. Es entspricht regelmäßig dem Willen der Parteien, überhaupt eine Rückzahlungsklausel zu vereinbaren und dabei jedenfalls die in der Rechtsprechung als zulässig angesehene Bindungsdauer zu beachten.  

Rechtsanwaltskanzlei Dr. Palm

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