2015/12/07

Schüler Mobbing Cybermobbing

Wir erleben immer wieder, dass nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch in Schulen kräftig gemobbt wird. Teilweise gehört das zum Sozialisationsprozess. Schüler lernen oft mit solchen Angriffen fertig zu werden, wenn sie nicht eine Intensität erreichen, dass ein Eingreifen von Lehrern und Eltern notwendig wird. Ähnlich wie in der betrieblichen Praxis ist bei Schulen zu beobachten, dass abstrakte Thematisierungen der Problematik oft suggerieren, die Schule habe sich mit dem Thema auseinandergesetzt. Kommt es zum Ernstfall, und dazu kommt es oft genug, werden oft die Hilflosigkeiten sichtbar. Lehrer fühlen sich indes oft überfordert. Gewisse Themen sind so undelikat, dass man sich ihnen lieber entzieht, um nicht Gefahr zu laufen, vorurteilsbehaftet zu reagieren und hilflos zu erscheinen. Schüler haben altersbedingte Artikulierungsschwierigkeiten, die ein Übersehen solcher Probleme leichter machen. Keine Schule möchte mit ihrer "corporate identy" verbinden, dass dort gemobbt wird. Das macht es für Opfer und ihre Eltern oft schwer, gehört zu werden.

Mobbing in der Schule 

Schulmobbing ist ein öffentlichkeitswirksames Thema. Die Bundeszentrale für politische Bildung gibt eigens Informationsblätter dazu heraus. Es ist natürlich bei einem so sensiblen Thema die Frage, ob juristische Maßnahmen weiter helfen. "In einem frühen Stadium von Mobbing kann es ausreichen, wenn man mit seinem Kind das Verhalten in bestimmten Situationen übt", so Jo-Jacqueline Eckardt, Autorin des Buches "Mobbing bei Kindern" (Zitiert nach Spiegel Online - 12.04.2007). Oftmals können scheinbar geringfügige Verhaltensumstellungen nachhaltige Effekte haben.

Vor allem Facebook, WhatsApp und andere Kommunikations- und Community-Systeme schaffen Angriffs- und Verletztungsmöglichkeiten, die weit  über das in ein Schreibpult hineingeritztes "Martin ist doof" hinausgehen. Hier schalten sich viele Mitschüler zu, sodass regelrechte Hetzjagden veranstaltet werden. Kompromittierendes Fotomaterial ist ein besonders schwerwiegendes Instrument, um einen öffentlichen Pranger zu errichten, der SchülerInnen zur Verzweiflung treiben kann. Wir haben kürzlich einen Fall in der Kanzlei vertreten, in dem immerhin die Gerichte der Auffassung waren, dass fundamentale Angriffe dieser Art auf die Integrität der Persönlichkeit auf Community-Foren auch durchaus empfindlich zu ahnden sind. 

Rechtsprechung zu solchen "Mobbingklagen" liegt nicht reichhaltig vor. Zum Verhältnis von Schulpflicht und Mobbing hat das Verwaltungsgericht Ansbach (AN 2 S 06.01862) einige Ausführungen gemacht.

Schlägereien auf dem Schulhof weisen eine haftungsrechtliche Besonderheit auf. Sie werden unter bestimmten Voraussetzungen als Schulunfall eingestuft, dessen Folgen dem jeweiligen Schädiger durch die Unfallversicherung abgenommen werden. Das geschieht regelmäßig im Interesse des Schulfriedens und des ungestörten Zusammenlebens von Lehrern und Schülern in der Schule. Maßgeblich sind hier  §§ 104 Abs. 1, 105 Abs. 1 SGB VII in Verbindung mit § 106 Abs. 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. b SGB VII. Danach kann Ersatz des Personenschadens, den ein von der gesetzlichen Unfallversicherung erfasstes Schadensereignis verursacht hat, nur verlangt werden, wenn der Schädiger den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat. In solchen Fällen muss der Vorsatz nicht nur die Verletzungshandlung, sondern auch den Verletzungserfolg umfassen.

Geldentschädigung bei Mobbing

Zunächst gilt für Mobbingfälle regelmäßig, dass sie Einzelfallcharakter haben.  Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs ab, also von Ausmaß und Intensität der Ausstrahlung, von der Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten sowie dem Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie dem Grad seines Verschuldens. Gerade die Persönlichkeit von Minderjährigen bedarf besonderen Schutzes, wie das Bundesverfassungsgericht 2000 festgestellt hat. Das gilt nicht nur für Kinder, sondern auch für Jugendliche. Auch sie müssen sich erst noch zu eigenverantwortlichen Personen entwickeln.

Bei der Sanktionswirkung, die mit einem Schmerzensgeld bzw. einer Entschädigung wegen Persönlichkeitsverletzung verbunden ist, ist generell auf Art, Ausmaß und Intensität der jeweiligen Persönlichkeitsverletzung abzustellen. Hier hat das OLG Hamm dem Aspekt der Minderjährigkeit besondere Bedeutung beigemessen. Dabei wurde bei der Bewertung des Verletzungsgrads auf das "Gespött von Mitschülern" und "anonyme Anrufe" sowie auf  Beleidigungen in der Öffentlichkeit abgestellt. Ähnlich sind die Effekte des "Cybermobbing" zu beschreiben. 

Herr Rechtsanwalt Dr. Palm hat selbst drei Kinder und kennt von daher den typischen Schulalltag sehr gut. Mobbing ist ein immer wieder auftretendes Phänomen. Dabei sind Art und Intensität solcher Verhaltensweisen sehr verschieden. Wir hatten neulich erst an einer Schule eine sehr gute Kooperation mit der Schulleitung und der Schulaufsicht, sodass der Schüler inzwischen wieder problemlos die Schule besucht und die Mobber in ihre Schranken verwiesen wurden. Zuvor stand im Prinzip nur die Frage im Raum, ob der Schüler die Schule verlässt. Das kann vermieden werden, wenn die Probleme sachlich aufgezeigt werden und eine Frontstellung gegenüber der Schule vermieden wird. Sollte allerdings die Schule ihre Verantwortung nicht erkennen, sind wir auch bereit, diese Position nachhaltig zu verfolgen. Leider beobachten wir immer wieder Schulen, die mit dem Thema überfordert sind oder den Konflikt zu bagatellisieren versuchen. Neben der juristischen Aufarbeitung gilt es häufiger auch, zusätzlich psychologischen Hilfen in Anspruch zu nehmen, um Kindern und Heranwachsenden in ihrer Entwicklung zu helfen. 

Rechtsanwaltskanzlei Dr. Palm

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