2009/02/07

Mobbing als Ausdruck einer mangelhaften Betriebskultur

Auffallend ist die Diskrepanz zwischen der Mobbing-Diskussion in der Öffentlichkeit und der Verhaltenheit der Gerichte, Entscheidungen zu treffen, die diesen Missstand auch zum Ausdruck bringen. Gerichte sind fraglos nicht beauftragt, der öffentlichen Meinung zum Ausdruck zu verhelfen. Aber wieso beklagen sich zahllose Arbeitnehmer über Mobbing und die Arbeitsgerichte haben diesen Begriff so restriktiv angelegt, dass die Zahl erfolgreicher Klagen überschaubar bleibt.

Definitiv ist Mobbing kein Rechtsbegriff, aber es geht um empfindliche Vertragsstörungen und Persönlichkeitsrechtsverletzungen, die nicht einfach der Medizin, Psychologie oder gar Psychiatrie übergeben werden können. Näher betrachtet begründet „Mobbing“ ein Zuständigkeitsproblem der Gesellschaft. Zwar hat man einige Ursachen des Phänomens erkannt, aber ist längst nicht in der Lage, wirklich effiziente Problemlösungsverfahren zu entwickeln. Die „rules of conduct“ oder „compliance guides“, die Mobbing-Beauftragten und Mobbing-Konferenzen erscheinen erstaunlich hilflos, wie Selbstberuhigungen des Unternehmens, dass personale Probleme grundsätzlich lösbar sind – so wie wirtschaftliche Aufgaben auch  als planbar gelten, so wenig das chaotische Entwicklungen erklärt. Unternehmen haben ein rationales Ethos, Mobbing ist dagegen raffinierter angelegt: Unter der Maske rationalen Umgangs werden irrationale Antriebe getarnt. Es geht um Aggression, die sich als Kommunikation darstellt. Für Juristen bleibt das schwer erkennbar, weil die grundlegende Struktur im Recht irrationale Momente eher nicht zulässt. Neurosen, Psychosen etc. finden hier keine Zuständigkeit, sondern werden – wenn überhaupt – verwaltet. Insofern sind arbeitsgerichtliche Überprüfungen fragile Instrumente der Problembehandlung. Bessere Arbeitsbedingungen wären nur dann zu gewährleisten, wenn die gesellschaftliche Wahrnehmung innerhalb und außerhalb der Unternehmen besser würde.

Die „Mobber“ sind nicht lediglich psychologisch leicht durchschaubare Persönlichkeitstypen, sondern so wie Gelegenheit Diebe macht, sind sie abhängig von konkreten Umständen der Betriebsorganisation und –kommunikation. Mobber tauchen in Unternehmen vor allem da auf, wo ihre Praktiken der Beobachtung entzogen sind, weil Kontrollorgane fehlen oder die Mobbing-Techniken gut getarnt werden. Arbeitgeber wollen keinen Ärger, weil er kontraproduktiv für die Unternehmenszwecke ist. Nur steckt hier eine schwierige Ambivalenz, weil die Schwierigkeiten, die das Mobbing macht, geringer sein können als die Problemlösungen, insbesondere wenn über diesen Verfahren das Damoklesschwert einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung schwebt.

Goedart Palm

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