Die folgende Entscheidung
könnte die bisherige Praxis insbesondere der OLG-Senate maßgeblich verändern.
Denn was der BGH hier erkannt hat, war zwar verschiedentlich auch schon mal in
der untergerichtlichen Rechtsprechung „angeklungen“, konnte sich aber nicht
durchsetzen. Die Fälle endeten regelmäßig damit, dass Eltern für ihre Kinder
haften, weil die Überwachungsmaßnahmen, die vorausgesetzt wurden, praktisch in
keinem Fall erfüllt waren. Der Bundesgerichtshof hat zur Haftung von Eltern für
illegales Filesharing ihrer minderjährigen Kinder eine nun wohl bahnbrechende
Entscheidung getroffen. Eltern haften für das illegale Filesharing eines
13-jährigen Kindes grundsätzlich nicht, wenn sie das Kind über das Verbot einer
rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehrt hatten und keine
Anhaltspunkte dafür bestanden, dass ihr Kind diesem Verbot zuwiderhandelt.
Die klagenden
Tonträgerhersteller sind Inhaber ausschließlicher urheberrechtlicher
Nutzungsrechte an den in Rede stehenden Musikaufnahmen. Hintergrund war der,
dass im Januar 2007 in einer Internettauschbörse unter einer bestimmten
IP-Adresse über tausend Audiodateien zum kostenlosen Herunterladen angeboten. Verklagt
wurde ein Ehepaar. Sie hatten den Internetanschluss auch ihrem zum fraglichen
Zeitpunkt 13 Jahre alten Sohn zur Verfügung gestellt, dem sie zu seinem 12.
Geburtstag den gebrauchten PC des Beklagten zu 1 überlassen hatten. Bei einer
vom zuständigen Amtsgericht angeordneten Durchsuchung der Wohnung (!) der
Beklagten wurde der Computer des Sohnes der Beklagten beschlagnahmt. Hintergrund:
Auf dem Computer des Sohns waren die Tauschbörsenprogramme "Morpheus"
und "Bearshare" installiert. Das Symbol des Programms
"Bearshare" war auf dem Desktop des PC zu sehen. Die Beklagten wurden
abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert.
Die Beklagten gaben die
Unterlassungserklärung ab. Sie zahlten aber keinen Schadensersatz zu zahlen und
auch nicht die Abmahnkosten.
Die Klägerinnen nahmen die
Beklagten wegen des öffentlichen Zugänglichmachens von 15 Musikaufnahmen auf
Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 200 € je Titel, insgesamt also 3.000 €
nebst Zinsen und auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 2.380,80 € in
Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der
Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht ging davon aus, die
Beklagten hafteten nach § 832 Abs. 1 BGB
für den durch das illegale Filesharing ihres minderjährigen Sohnes entstandenen
Schaden. Die Eltern hätten ihre Aufsichtspflicht verletzt. Sie hätten die
Einhaltung der von ihnen aufgestellten Verhaltensregeln für die Internetnutzung
nicht - wie von ihnen behauptet - kontrolliert. Hätten die Beklagte auf dem
Computer ihres Sohnes tatsächlich eine Firewall und ein Sicherheitsprogramm
installiert, das bezüglich der Installation weiterer Programme auf "keine
Zulassung" gestellt gewesen wäre, hätte ihr Sohn die Filesharingsoftware auch
nicht installieren können. Hätte der Vater den PC seines Sohnes monatlich
überprüft, hätte er die von seinem Sohn installierten Programme bei einem Blick
in die Softwareliste oder auf den Desktop des Computers entdecken müssen.
Der Bundesgerichtshof hat die
Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Nach Ansicht des BGH genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal
entwickeltes 13-jähriges Kindes, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote
befolgt, regelmäßig bereits dadurch,
dass sie das Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an
Internettauschbörsen belehren. Eine weiterreichende Verpflichtung der
Eltern, die Nutzung des Internet durch das Kind zu überwachen, den Computer des
Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu
versperren, bestehe grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen seien Eltern
erst dann verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für eine
rechtsverletzende Nutzung des Internetanschlusses durch das Kind haben. (Urteil vom 15. November 2012
- I ZR 74/12 - Morpheus).
"Eltern haften für ihre Kinder" ist also ein Spruch, der einiger Differenzierung bedarf, was wir gerne unserer Rechtspraxis zugrunde legen. Wenn Sie Probleme dieser Art haben, kontaktieren Sie uns.