2013/05/26

Vorname Kind Änderung Rechtsanwalt Namensrecht


Vorname - Wichtiger Grund
Auch Vornamen kann man nicht beliebig ändern. Eine Namensänderung setzt voraus, dass die Abwägung aller dafür und dagegen streitenden schutzwürdigen Belange ein Übergewicht der für die Änderung sprechenden Interessen ergibt. Diese Abwägung gilt auch für die Änderung eines Vornamens. Die Rechtsprechung unterscheidet nur insoweit, dass den öffentlichen Interessen, die bei der Änderung eines Vornamens zu berücksichtigen sind, ein geringeres Gewicht zukommt als dem öffentlichen Interesse am unveränderten Fortbestand eines Familiennamens. Auch ein Vorname hat eine identifikatorische Bedeutung. Eine Namensänderung dahingehend, dass der Vorname vollständig durch einen anderen Vornamen ersetzt wird, kommt etwa nicht in Betracht, wenn der Betreffende in das Schuldnerverzeichnis eingetragen ist. Dem Gesichtspunkt der Identifizierbarkeit kommt damit eine besondere Bedeutung zu.
Kurzform eines Vornamens

Die Verwendung der Kurzform eines Vornamens oder eines (eigenmächtig gewählten) weiteren Vornamens im Verwandten- und Bekanntenkreis, mit der/dem der Betroffene – ohne dass dieses Selbstverständnis greifbar geworden ist – sich zu identifizieren meint, stellt keinen wichtigen Grund für eine Namensänderung dar, stellte das OVG Berlin 2012 fest. 
Recht der Eltern zur Namenvergabe

Das Recht der Eltern, Sorge für ihr Kind zu tragen (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, § 1626 BGB), umfasst auch das Recht, diesem einen Namen zu geben - erläutert das OLG München im Jahre 2011. Die Entscheidung, welchen Namen das Kind tragen soll, hätten die Eltern in Ausführung der Verantwortung für das Kind zu treffen. Dies betreffe auch die Wahl des Vornamens, der der Individualität einer Person Ausdruck verleiht, den Einzelnen bezeichnet und diesen von anderen unterscheidet. Bei der Wahl eines Vornamens für ihr Kind sind die Eltern grundsätzlich frei; sie sind insbesondere nicht an einen Kanon herkömmlicher Vornamen gebunden. Dem Recht der Eltern zur Vornamenswahl sind vielmehr allein dort Grenzen gesetzt, wo die Rechtsausübung das Kindeswohl konkret zu beeinträchtigen droht, hat der BGH 2008 ausgeführt. Deshalb kann "Bock" neben zwei weiteren eindeutig weiblichen Vornamen für ein Mädchen zulässig sein, da für das Kind ein Bezug zu der (im konkreten Fall: koreanischen) Herkunft und Bedeutung dieses Namens erkennbar ist und dessen Verwendung im Alltag wie üblich unterlassen werden kann, wie das OLG Frankfurt 2011 mal zu entscheiden hatte.
Personenstandsverfahren Die Frage der Berichtigung eingetragener Vornamen des Kindes im Geburtenregister (Personenstandsverfahren) folgt nach OLG Düsseldorf folgenden Grundsätzen: Entscheidend ist, welchen Vornamen die Eltern dem Kind tatsächlich gegeben haben. Wahl und Erteilung des Vornamens gehören zum Kreis der aus dem Personensorgerecht für das Kind folgenden Rechte und Pflichten der Eltern. Diese Vornamensgebung wird nicht durch Anzeige gegenüber dem Standesbeamten ausgeübt, sondern durch die formlose Einigung der Eltern auf einen Vornamen. Die Anzeige des Namens an den Standesbeamten stellt keine rechtsgestaltende Willenserklärung dar, ihr kommt vielmehr, ebenso wie der Eintragung im Geburtenregister, lediglich deklaratorische Bedeutung zu. Daher kann der Registereintrag auch dann unrichtig sein, wenn die Anmeldung der Eltern nicht deren wahrem Willen entspricht. Eine berichtigungsfähige Unrichtigkeit des Eintrags im Geburtenregister setzt allerdings voraus, dass dieser Eintrag mit dem damaligen tatsächlichen Willen der Eltern nicht in Einklang steht. Dagegen ist die Berichtigung kein zulässiges Instrument zur Revision des ursprünglichen elterlichen Erteilungsbeschlusses.
Vorname und Ausland Das VG Münster hat 2008 entschieden: Wegen des Grundsatzes der Unabänderlichkeit des Namens ist eine Änderung nur aus wichtigem Grund möglich, wobei im Fall der Änderung nur des Vornamens geringere Anforderungen hieran zu stellen sind. Ein solcher Änderungsgrund liegt regelmäßig nicht vor, wenn es aufgrund der Namensführung im Ausland zu Beeinträchtigungen, z. B. aufgrund der Bedeutung des Namens, kommt. Etwas anderes kann gelten, wenn der Wohnsitz dauerhaft ins Ausland verlegt wird. In diesem Fall geht die Entscheidungsbefugnis über die Namensführung jedoch auf die ausländischen Behörden über.

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz - Rechtliche Hilfe

Wir werden immer wieder bei Sachverhalten sexueller Belästigung um Hilfe gebeten. Die Tatbestände sind vielfältig. Mitunter verstecken sich Täter hinter ambivalenten Verhaltensweisen, um den Vorwurf zurückweisen zu können. Dabei besteht der Selbstschutz zunächst darin, sich solche Verhaltensweisen nicht gefallen zu lassen. Opfer, die schweigen, etwa aus der Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, ermutigen den Täter oft nur. 

Wann liegt eine sexuelle Belästigung vor?

Eine sexuelle Belästigung im Sinne von § 3 Absatz 4 AGG liegt vor, wenn sexuelle Handlungen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen oder Äußerungen sexuellen Inhalts bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Im Unterschied zu § 3 Absatz 3 AGG können auch schon einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen (BAG). Das Tatbestandsmerkmal der Unerwünschtheit erfordert - anders als noch die alte Regelung in § 2 Absatz 2 Satz 2 Nr. 2 Beschäftigtenschutzgesetz - nicht mehr, dass die Betroffenen ihre ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht haben. Maßgeblich ist allein, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise für einen Dritten erkennbar wäre. Ergreift der Arbeitgeber keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung einer Belästigung oder sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz, sind die betroffenen Beschäftigten nach § 14 AGG berechtigt, ihre Tätigkeit ohne Verlust des Arbeitsentgelts einzustellen, soweit dies zu ihrem Schutz erforderlich ist. Allerdings ist hier immer Vorsicht geboten, weil der Tatbestand feststehen und belegbar sein sollte, um nicht Abmahnungen oder gar Kündigungen wegen Arbeitsverweigerung zu erhalten. 

Kündigung

Die sexuelle Belästigung einer Arbeitnehmerin an ihrem Arbeitsplatz kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 626 Abs 1 BGB darstellen. Eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz stellt in jedem Fall eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar. Die arbeitsvertragliche Pflicht sexuelle Belästigungen zu unterlassen, hat der Arbeitnehmer nach der Rechtprechung auch gegenüber Arbeitnehmerinnen eines Kunden/Auftraggebers seines Arbeitgebers. Eine sexuelle Belästigung macht die Weiterbeschäftigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB aber nicht automatisch kraft Gesetzes unzumutbar. 

Ob die sexuelle Belästigung zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt, hängt vom Einzelfall ab. Es geht um den Umfang und die Intensität und die sonstigen Umstände des jeweiligen Verhaltens. Die unerwünschte Berührung einer weiblichen Person unterhalb der Kleidung stellt, egal ob man dies im Einzelfall als sexuelle Belästigung wertet oder nicht, jedenfalls einen Arbeitsvertragsverstoß dar. Bei der Frage, welche Sanktionen dieser Arbeitsvertragsverstoß nach sich zieht, sind die Umstände des Einzelfalls jeweils sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Auch bei nur verbalen sexuellen Belästigungen durch einen langjährig beschäftigten männlichen Arbeitnehmer kann eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung verhältnismäßig sein. Die Äußerung gegenüber einer Assistentin, sie bekomme alles von dem Geschäftsführer mit dem Vornamen Heinz-Dieter, insbesondere die gewünschte Gehaltserhöhung und den gewünschten Urlaub, wenn sie "dem kleinen Dieter was Gutes tue, weil sich dann der große Heinz freue", stellt an sich einen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar.  

Für Beamte konstatierte das BVerwG: Dienstvergehen aufgrund sexueller Belästigung am Arbeitsplatz führen nicht regelmäßig zu einer bestimmten Maßnahme. Die Handlungsbreite, in der sexuelle Zudringlichkeiten im Dienst denkbar sind, ist zu groß, als dass sie einheitlichen Regeln unterliegen und in ihren Auswirkungen auf Achtung und Vertrauen gleichermaßen eingestuft werden können. Stets sind die besonderen Umstände des Einzelfalls maßgebend. In schweren Fällen innerdienstlicher sexueller Belästigung weiblicher oder männlicher Mitarbeiter, insbesondere wenn der Beamte unter Ausnutzung seiner Vorgesetzteneigenschaft versagt und dadurch nicht nur seine Integrität in der Dienststelle weitgehend einbüßt, sondern auch sein Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn schwer erschüttert, kann sich grundsätzlich die Frage seiner weiteren Tragbarkeit im öffentlichen Dienst stellen. In minderschweren Fällen eine mildere Disziplinarmaßnahme verhängt werden kann.  

Welche Maßnahmen kann man ergreifen?

In Betracht kommen unter anderem Maßnahmen, den Arbeitgeber um Abhilfe zu bitten, den Täter auf Unterlassung und Schmerzensgeld in Anspruch zu nehmen und ggf. eine Strafanzeige zu erstatten. Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 AGG aktive Maßnahmen zur Unterbindung und zum Schutz gegen die Wiederholung einschlägiger Übergriffe des Geschäftsführers fordern, soweit und solange der Arbeitgeber nicht selber bereits tätig geworden ist.  

Der Arbeitnehmer kann einen Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG gegen den Arbeitgeber, wenn er wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt worden. Das Arbeitsgericht Köln hatte im Jahre 2011 mit einem solchen Anspruch in Höhe von EUR 1.735.578,00 zu tun, der allerdings abgewiesen wurde.

Der Arbeitnehmer muss insbesondere einen Entschädigungsanspruch fristgerecht geltend machen. Gemäß § 15 Abs. 4 AGG muss ein Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten geltend gemacht werden. Die Frist zur Geltendmachung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der benachteiligte Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt, § 15 Abs. 4 S. 2 AGG.  
Problematisch ist es also auf Benachteiligungen Bezug zu nehmen, die bereits länger als zwei Monate zurücklagen. Eine Einbeziehung von, bei isolierter Betrachtung außerhalb der Frist des § 15 Abs. 4 AGG liegenden Vorfälle, in die Prüfung eines Anspruchs kommt nach der Rechtsprechung nur in Betracht, wenn diese einen Dauertatbestand bilden, der zum Zeitpunkt der Geltendmachung noch nicht abgeschlossen war. Ein Dauertatbestand ist dann gegeben, wenn fortlaufend neue Tatsachen eintreten, die für eine Benachteiligung von Bedeutung sind. Nur dann, wenn ein noch nicht abgeschlossener, länger währender Zustand vorliegt, beginnt die Ausschlussfrist nicht vor dessen Beendigung zu laufen (BAG). Dagegen liegt ein Dauertatbestand dann nicht vor, wenn die für die Benachteiligung maßgeblichen Vorgänge bereits abgeschlossen sind. Er liegt auch dann nicht vor, wenn der Beschäftigte wiederholt in gleicher oder ähnlicher Weise benachteiligt oder belästigt wird. Erforderlich ist vielmehr, dass die einzelnen Benachteiligungshandlungen derart in untrennbarem Zusammenhang stehen, dass eine Aufspaltung dieses einheitlichen Lebenssachverhalts künstlich wäre. Weiterhin ist Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG zu beachten. Danach muss eine Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden.

Warten Sie also nicht zu lange, sonst kann die Rechtsverfolgung schwierig oder aussichtslos werden.

Rechtsanwaltskanzlei Dr. Palm

2013/05/20

Erfahrungen Dienstunfähigkeit von Beamten - Rechtsanwaltskanzlei Dr. Palm

Allgemeines - Erfahrungen
Die Frage nach der Dienstunfähigkeit des Beamten kann sehr komplexe Fragestellungen aufwerfen, die vor allem dadurch geprägt sind, dass die Auffassungen darüber, ob der Dienst noch möglich ist, sehr stark auseinander gehen. Insofern gibt es regelmäßig zwei Konstellationen: Der Beamte respektive die Beamtin fühlen sich in der Lage, den Dienst weiter auszuüben. Der Dienstherr gewinnt einen anderen Eindruck. Die umgekehrte Konstellation tritt auch. Der Beamte ist nach seiner persönlichen Einschätzung nicht mehr in der Lage, den Dienst auszuüben, während der Dienstherr die Dienstfähigkeit weiter für gegeben hält.
Wir haben beide Fallvarianten behandelt. Regelmäßig entscheidet selbstverständlich die Erärztliche Expertise. Allerdings gibt es jenseits der Frage, ob der Beamte weiterhin dienstfähig ist, oft den "Verfahrenseffekt", dass langwierige Auseinandersetzungen gesundheitliche Zustände verschlechtern oder aber im Fall von Freistellungen eine Art von "innerer Emigration" stattfindet. Denn während der Verfahren und damit verbundener Freistellungen bzw. Krankschreibungen ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich der Betroffene anders orientiert. Solche psychologischen Mechanismen sind oft ebenso wichtig wie juristische Fragestellen. Gegenüber der Ungewissheit und Neuorientierung hilft es mitunter Verfahren effizient zu gestalten. Insofern ist es wichtig, dass nicht Verfahren ausgelöst werden, die schließlich dazu führen, dass man sich eine Rückkehr in ein aktives Dienstverhältnis nicht mehr vorstellen kann.
Dabei ist ein nicht geringes Problem, wenn subjektive Zustände wie Depressionen oder burnout unzulänglich dokumentiert sind und es dem Dienstherrn bzw. dem beauftragten Amtsarzt nicht plausibel erscheinen will. Eine sehr typische Konstellation dieser Art war vor einiger Zeit am 25.01.2013 vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof München zu entscheiden. Die privatärztliche Beurteilung nannte als Diagnose „Depression“. Die Klägerin an leide „Konzentrationsstörungen“ und ihre „emotionale Belastbarkeit“ seien eingeschränkt, das seien laut Klägerin typische Symptome einer Depression. In der knappen ärztlichen Beurteilung werde die Prognose und die zugrunde liegende Diagnose „Depression“ nicht weiter erläutert. Einzelheiten der Befunderhebung und der Entscheidungsgrundlagen werden nicht wiedergegeben. Vor allem aber enthielten die gutachterlichen Stellungnahmen an den Dienstherrn keinerlei Hinweise auf die Schwere der Depression und das Ausmaß der Leistungsbeeinträchtigungen. Die Erkrankung lasse sich insbesondere nicht einer der Kategorien zuordnen, wie sie für diese affektive Störung etwa in der von der Weltgesundheitsorganisation herausgegebenen Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten unterschieden werden. Die bloße Angabe der Diagnose und von zwei Kardinalsymptomen ohne jede Aussage zu ihrer Ausprägung und Schwere lasse aber eine Entscheidung über die Dienstunfähigkeit der Klägerin von vornherein nicht zu. Denn eine Depression müsse keineswegs zwingend zur dauerhaften Dienstunfähigkeit führen. Wegen dieser Unklarheiten fehle es an einer hinreichend verlässlichen Grundlage für die nach § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG erforderliche Prognose. Hier wird bereits klar, dass oft diese Verfahren darunter leiden, dass aussageschwache Privatgutachten weder Amtsärzte überzeugen, die naturgemäß bei solchen Krankheiten geringere Beobachtungszeiträume haben, noch damit den Dienstherrn. Deswegen sollte es jedem Beamten angelegen sein, gerade hier in eigener Inititative bei Krankheiten dieses Typus aussagekräftige Privatgutachten bereitzuhalten.

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Darf man eigentlich während der Dienstunfähigkeit arbeiten?
Die Pflicht des Beamten, im Falle einer Erkrankung, sich gesund zu erhalten, kann durch eine  Nebentätigkeit verletzt werden, falls diese eine Genesung beeinträchtigt, konstatierte das Verwaltungsgericht Düsseldorf 2010. Die Gesunderhaltungspflicht kann somit erfordern, Nebentätigkeiten während der Zeit einer ärztlich attestierten Dienstunfähigkeit mit Rücksicht auf den Gesundungsprozess zu unterlassen. Dabei ist jedoch Ausgangspunkt, dass die Ausübung einer ordnungsgemäß genehmigten Nebentätigkeit während einer ärztlich attestierten Dienstunfähigkeit für sich genommen noch keine Dienstpflichtverletzung darstellt.

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Ihre Rechtsanwaltskanzlei Dr. Palm

Dienstunfähigkeit von Beamten - Erfahrungen - Rechtsanwaltskanzlei Dr. Palm

Allgemeines - Erfahrungen Die Frage nach der Dienstunfähigkeit des Beamten kann sehr komplexe Fragestellungen aufwerfen, die vor allem dadurch geprägt sind, dass die Auffassungen darüber, ob der Dienst noch möglich ist, sehr stark auseinander gehen. Insofern gibt es regelmäßig zwei Konstellationen: Der Beamte respektive die Beamtin fühlen sich in der Lage, den Dienst weiter auszuüben. Der Dienstherr gewinnt einen anderen Eindruck. Die umgekehrte Konstellation tritt auch. Der Beamte ist nach seiner persönlichen Einschätzung nicht mehr in der Lage, den Dienst auszuüben, während der Dienstherr die Dienstfähigkeit weiter für gegeben hält.

Wir haben beide Fallvarianten behandelt. Regelmäßig entscheidet selbstverständlich die ärztliche Expertise. Allerdings gibt es jenseits der Frage, ob der Beamte weiterhin dienstfähig ist, oft den "Verfahrenseffekt", dass langwierige Auseinandersetzungen gesundheitliche Zustände verschlechtern oder aber im Fall von Freistellungen eine Art von "innerer Emigration" stattfindet. Denn während der Verfahren und damit verbundener Freistellungen bzw. Krankschreibungen ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich der Betroffene anders orientiert. Solche psychologischen Mechanismen sind oft ebenso wichtig wie juristische Fragestellen. Gegenüber der Ungewissheit und Neuorientierung hilft es mitunter Verfahren effizient zu gestalten. Insofern ist es wichtig, dass nicht Verfahren ausgelöst werden, die schließlich dazu führen, dass man sich eine Rückkehr in ein aktives Dienstverhältnis nicht mehr vorstellen kann.
Dabei ist ein nicht geringes Problem, wenn subjektive Zustände wie Depressionen oder burnout unzulänglich dokumentiert sind und es dem Dienstherrn bzw. dem beauftragten Amtsarzt nicht plausibel erscheinen will. Eine sehr typische Konstellation dieser Art war vor einiger Zeit am 25.01.2013 vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof München zu entscheiden. Die privatärztliche Beurteilung nannte als Diagnose „Depression“. Die Klägerin an leide „Konzentrationsstörungen“ und ihre „emotionale Belastbarkeit“ seien eingeschränkt, das seien laut Klägerin typische Symptome einer Depression. In der knappen ärztlichen Beurteilung werde die Prognose und die zugrunde liegende Diagnose „Depression“ nicht weiter erläutert. Einzelheiten der Befunderhebung und der Entscheidungsgrundlagen werden nicht wiedergegeben. Vor allem aber enthielten die gutachterlichen Stellungnahmen an den Dienstherrn keinerlei Hinweise auf die Schwere der Depression und das Ausmaß der Leistungsbeeinträchtigungen. Die Erkrankung lasse sich insbesondere nicht einer der Kategorien zuordnen, wie sie für diese affektive Störung etwa in der von der Weltgesundheitsorganisation herausgegebenen Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten unterschieden werden. Die bloße Angabe der Diagnose und von zwei Kardinalsymptomen ohne jede Aussage zu ihrer Ausprägung und Schwere lasse aber eine Entscheidung über die Dienstunfähigkeit der Klägerin von vornherein nicht zu. Denn eine Depression müsse keineswegs zwingend zur dauerhaften Dienstunfähigkeit führen. Wegen dieser Unklarheiten fehle es an einer hinreichend verlässlichen Grundlage für die nach § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG erforderliche Prognose. Hier wird bereits klar, dass oft diese Verfahren darunter leiden, dass aussageschwache Privatgutachten weder Amtsärzte überzeugen, die naturgemäß bei solchen Krankheiten geringere Beobachtungszeiträume haben, noch damit den Dienstherrn. Deswegen sollte es jedem Beamten angelegen sein, gerade hier in eigener Inititative bei Krankheiten dieses Typus aussagekräftige Privatgutachten bereitzuhalten. 


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Darf man eigentlich während der Dienstunfähigkeit arbeiten?Die Pflicht des Beamten, im Falle einer Erkrankung, sich gesund zu erhalten, kann durch eine  Nebentätigkeit verletzt werden, falls diese eine Genesung beeinträchtigt, konstatierte das Verwaltungsgericht Düsseldorf 2010. Die Gesunderhaltungspflicht kann somit erfordern, Nebentätigkeiten während der Zeit einer ärztlich attestierten Dienstunfähigkeit mit Rücksicht auf den Gesundungsprozeß zu unterlassen. Dabei ist jedoch Ausgangspunkt, dass die Ausübung einer ordnungsgemäß genehmigten Nebentätigkeit während einer ärztlich attestierten Dienstunfähigkeit für sich genommen noch keine Dienstpflichtverletzung darstellt.

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Die Dienstunfähigkeit ist im Übrigen ein "Rechtsinstitut", das oft im Fall von Spannungen, ggf. Mobbing und anderen Schwierigkeiten herangezogen wird, um Lösungen zu finden, die notwendig erscheinen, weil es im Bereich des Beamtenrechts keine Kündigung gibt. Wenn also das Dienstverhältnis äußerst gespannt ist, gibt es oft von Seiten des Dienstherrn oder des Beamten eine "Flucht in die Dienstunfähigkeit", weil keine anderen "Beendigungsgründe" zur Verfügung stehen. Diese Vorgehensweise ist mitunter zweifelhaft und kann dann zu verwaltungsgerichtlichen Überprüfungen führen. 

Rechtsanwalt Dr. Palm  

2013/05/18

Dienstfähigkeit - Ärztliche Begutachtung - Rechtsschutz

Dienstfähigkeit - Einführung

Hält die oder der Dienstvorgesetzte die Beamtin oder den Beamten aufgrund eines ärztlichen Gutachtens über den Gesundheitszustand für dienstunfähig und ist eine anderweitige Verwendung nicht möglich oder liegen die Voraussetzungen für die begrenzte Dienstfähigkeit nicht vor, teilt sie oder er der Beamtin oder dem Beamten mit, dass die Versetzung in den Ruhestand beabsichtigt ist. Dabei sind die Gründe für die Versetzung in den Ruhestand anzugeben. So sagt es das Bundesbeamtengesetz lapidar. Damit verbinden sich viele Fragen.

Die Beamtin oder der Beamte kann innerhalb eines Monats Einwendungen erheben. Danach entscheidet die für die Ernennung zuständige Behörde über die Versetzung in den Ruhestand im Einvernehmen mit der obersten Dienstbehörde, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Der Ruhestand beginnt mit dem Ende des Monats, in dem die Versetzung in den Ruhestand der Beamtin oder dem Beamten bekannt gegeben worden ist. Zu diesem Zeitpunkt wird die Besoldung einbehalten, die das Ruhegehalt übersteigt.

Definition der Dienstfähigkeit

Für den Dienstunfähigkeitsbegriff des § 26 Abs. 1 S. 1 BeamtStG ist die (dauernde) Unfähigkeit des Beamten zur Erfüllung seiner Dienstpflichten entscheidend. Für die Dienstpflichten in diesem Sinne sind die Pflichten des Amts im abstrakt-funktionellen Sinne - modifiziert durch den Abweichungsspielraum in § 26 Abs. 3 BeamtStG - maßgebend. Als Amt im abstrakt-funktionellen Sinne bezeichnet man den Aufgabenbereich, der einem bestimmten Amt im statusrechtlichen Sinne zugeordnet ist, bezogen auf die konkrete Behörde. Die Amtsbezogenheit der Dienstfähigkeit ist bezogen auf die Aufgabenstellung der Verwaltung zu sehen. Die Feststellung der Amtsanforderungen obliegt dabei dem Dienstherrn.

Versetzung in den Ruhestand

Eine Versetzung in den Ruhestand infolge von Dienstunfähigkeit ist nach der Rechtsprechung nicht zu beanstanden, wenn ein Beamter auf unabsehbare Zeit gesundheitlich nicht mehr in der Lage gewesen ist, den vollen Anforderungen des abstrakt-funktionellen Amtes zu genügen oder auch nur wesentliche Teile des mit diesem Amt verbundenen Aufgabenbereichs zu bewältigen. Bei der Beurteilung der Dienstfähigkeit ist also auf das abstrakt-funktionelle Amt abzustellen. Ein bestimmter Dienstposten ist dagegen für diese Einschätzung nicht relevant. Für die Feststellung der Dienstunfähigkeit reicht es also nicht aus, dass der Beamte den Pflichten des Dienstpostens nicht mehr gewachsen ist. Dienstunfähigkeit liegt somit dann vor, wenn der Beamte den Anforderungen von keinem der für sein statusrechtliches Amt innerhalb der Behörde vorgesehenen Dienstposten mehr gerecht werden kann.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Bundesbeamtengesetz (BBG) ist eine Beamtin oder ein Beamter auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie oder er wegen des körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung der Dienstpflicht dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Als dienstunfähig kann eine Beamtin oder ein Beamter gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG aber auch dann angesehen werden, wenn sie oder er infolge Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und wenn keine Aussicht besteht, dass innerhalb weiterer sechs Monate die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. Die Vorschrift stellt in diesem Zusammenhang eine die Grundregel des Satzes 1 ergänzende Regelung dar, mit deren Hilfe – einem Regelbeispiel bzw. einer gesetzlichen Vermutung entsprechend oder zumindest vergleichbar – die Feststellung der Dienstunfähigkeit im Einzelfall erleichtert werden kann. Danach setzt Dienstunfähigkeit voraus, dass bei der Beschäftigungsbehörde kein Dienstposten zur Verfügung steht, der dem statusrechtlichen Amt der Beamtin oder des Beamten zugeordnet und gesundheitlich für sie geeignet ist.

Gerichtliche Kontrolldichte

Die Beurteilung der Dienstunfähigkeit unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle. Das schließt etwaige Feststellungen oder Schlussfolgerungen in ärztlichen Gutachten grundsätzlich mit ein. Ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht zur Feststellung der Dienstfähigkeit bewirkt zwar keine Beweislastumkehr. Die unberechtigte und schuldhafte Weigerung, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, stellt indes analog § 444 Zivilprozessordnung einen erheblichen Anhaltspunkt für die Dienstunfähigkeit des Beamten dar. Selbst ohne ein entsprechendes ärztliches Gutachten kann in solchen Fällen von der Dienstunfähigkeit des Beamten ausgegangen werden, auch wenn dieser Schluss nicht notwendigerweise gezogen werden muss.
Der Dienstvorgesetzte fragt hinsichtlich der ärztlichen Diagnose und Gesamtbeurteilung (funktionalen) regelmäßig nur nach den Effekten der gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf die Dienstfähigkeit. Bei den Feststellungen zur Dienstfähigkeit teilt der begutachtende Arzt der über die Ruhestandsversetzung entscheidenden Behörde regelmäßig nur die voraussichtliche Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Beamten mit. Die Diagnose selbst einschließlich der Feststellungen, die zu dieser Diagnose führten, unterliegen regelmäßig der ärztlichen Schweigepflicht, wenn ihre Mitteilung zur Beurteilung der Dienstfähigkeit für die oder den Dienstvorgesetzten nicht erforderlich ist. Entscheidend ist im Übrigen der Umfang der Schweigepflichtsentbindungserklärung.

Zur Qualität von Attesten - Amtsarzt versus Privatarzt

Privatärztliche Atteste und Berichte vermögen die Feststellung der dauernden Dienstunfähigkeit regelmäßig nicht so entscheidend beeinflussen. Denn nicht nur sind solche Feststellungen mitunter zu vage, um hieraus konkrete Aussagen herzuleiten. Entscheidend ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass amtsärztlichen Stellungnahmen gegenüber privatärztlichen Attesten hinsichtlich der Krankheit im Blick auf die Dienstfähigkeit eines Beamten grundsätzlich höherer Beweiswert zukomme.

Grundlage für die Entscheidung über die Dienstunfähigkeit ist die ärztliche Untersuchung nach Maßgabe des § 48 BBG, die nur einer Amtsärztin oder einem Amtsarzt übertragen werden kann bzw. einer Ärztin oder einem Arzt, die als Gutachter zugelassen ist (Abs. 1 Satz 1 BBG). Der Arzt teilt der Behörde auf Anforderung im Einzelfall die tragenden Gründe des Gutachtens mit, soweit deren Kenntnis für die Behörde unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit für die von ihr zu treffende Entscheidung erforderlich ist (Abs. 2 Satz 1 BBG). Die Verantwortung zur Feststellung der Dienstfähigkeit trifft selbstverständlich die Behörde und nicht der Arzt. Die Behörde muss die ärztlichen Befunde und Schlussfolgerungen inhaltlich nachvollziehen und sich auf ihrer Grundlage ein eigenes Urteil bilden (So das BVerwG).

Für die Feststellung einer Dienstunfähigkeit im Sinn des § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG genügt also keine ungesicherte Prognose, ob die Beamtin voll dienstfähig wird. Die Prognose muss vielmehr mit der gebotenen Sicherheit sachlich gerechtfertigt werden können. Die materielle Rechtmäßigkeit einer solchen Prognose und damit die Versetzung der Beamtin in den Ruhestand hängt regelmäßig von den Kenntnissen ab, die der zuständigen Behörde im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung zur Frage der Dienstunfähigkeit zur Verfügung stehen. Insoweit räumt das Gesetz der Behörde aber keinen gerichtsfreien Beurteilungsspielraum ein. So unterliegt nicht nur der vollen gerichtlichen Kontrolle, ob der Sachverhalt hinreichend sorgfältig ermittelt wurde, sondern im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung auch die Frage, ob der ermittelte Sachverhalt die Feststellung der dauernden Dienstunfähigkeit rechtfertigt. Das schließt etwaige Feststellungen oder Schlussfolgerungen im ärztlichen Gutachten grundsätzlich mit ein. Auch diese sind vom Gericht – in den Grenzen der erforderlichen Sachkenntnis – nicht ungeprüft zu übernehmen, sondern selbstverantwortlich zu überprüfen und nachzuvollziehen, wie es die Rechtsprechung verlangt.  Das setzt voraus, dass ärztliche Gutachten zur Frage der Dienstunfähigkeit hinreichend und nachvollziehbar begründet sind. Das Gutachten muss sowohl die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt, d.h. die in Bezug auf die Beamtin erhobenen Befunde, enthalten als auch die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für die Fähigkeit der Beamtin, ihr abstrakt-funktionelles Amt weiter auszuüben. Wie detailliert die Ausführungen sein müssen, ist im Hinblick auf die Funktion des Gutachtens zu beantworten. Das Gutachten muss es der Beamtin ermöglichen, sich mit den Feststellungen und Schlussfolgerungen des Arztes und mit der darauf beruhenden Entscheidung des Dienstherrn auseinanderzusetzen und sie gegebenenfalls substantiiert anzugreifen. Deshalb darf sich das Gutachten nicht auf die bloße Mitteilung einer Diagnose und eines Entscheidungsvorschlages beschränken, sondern muss die für die Meinungsbildung des Arztes wesentlichen Entscheidungsgrundlagen erkennen lassen. Wie detailliert eine amtsärztliche Stellungnahme danach jeweils sein muss, kann allerdings nicht abstrakt beantwortet werden, sondern richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls (BVerwG). Bei der Prüfung nach § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG muss insbesondere plausibel sein, dass keine Aussicht besteht, dass innerhalb weiterer sechs Monate die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist.

Abweichungen zwischen Gutachten

Die medizinische Beurteilung eines Amtsarztes oder eines von ihm hinzugezogenen Facharztes genießt für die Entscheidung über die aktuelle Dienstfähigkeit eines Beamten - wie zuvor festgestellt - Vorrang vor der medizinischen Beurteilung des Privatarztes, wenn beide hinsichtlich desselben Krankheitsbildes inhaltlich voneinander abweichen. Legt der Beamte zum Beleg seines Unvermögens, Dienst zu tun, Dienstunfähigkeitsbescheinigungen behandelnder Privatärzte vor, kann der "gerichtsfeste" Nachweis nach der Rechtsprechung seiner Dienstfähigkeit regelmäßig nur durch die Einschaltung des Amtsarztes geführt werden. Bestehen ungeachtet der Vorlage der Dienstbescheinigungen Anhaltspunkte für die Dienstfähigkeit des Beamten, kann ihm der Dienstherr gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 LBG aufgeben, die Dienst- bzw. Arbeitsunfähigkeit durch die Stellungnahme eines Amtsarztes nachzuweisen.

Weicht die medizinische Beurteilung des Amtsarztes hinsichtlich desselben Krankheitsbildes von der Beurteilung des behandelnden Privatarztes ab, kommt der Beurteilung des Amtsarztes unter folgenden Voraussetzungen Vorrang zu: Es dürfen keine begründeten Zweifel an der Sachkunde des Amtsarztes bzw. eines von ihm hinzugezogenen Facharztes bestehen. Die medizinische Beurteilung muss auf zutreffenden Tatsachengrundlagen beruhen sowie in sich stimmig und nachvollziehbar sein. Hat der Privatarzt seinen medizinischen Befund näher erläutert, muss der Amtsarzt auf diese Darstellungen eingehen und nachvollziehbar darlegen, aus welchen Gründen er ihnen nicht folgt. Dieser Vorrang im Konfliktfall hat seinen Grund in der Neutralität und Unabhängigkeit des Amtsarztes. Im Gegensatz zu einem Privatarzt, der aus der Natur der Sache heraus bestrebt ist, das Vertrauen des Patienten zu ihm zu erhalten, nimmt der Amtsarzt seine Beurteilung von seiner Aufgabenstellung her unbefangen und unabhängig vor. Er steht Beamten und Dienststelle gleichermaßen fern (BVerwG). Diese Einschätzung des BVerwG beschreibt jedenfalls die idealtypische Ausgangssituation.

Die Frage der Priorität amtsärztlicher Beurteilungen gegenüber privatärztlichen Beurteilungen stellt sich nur, wenn beide in medizinischen Fragen inhaltlich voneinander abweichen. Eine solche Abweichung setzt voraus, dass das privatärztliche Attest die Mindestvoraussetzungen einer Nachvollziehbarkeit enthält; nämlich die Behandlungsdauer, die Diagnose und die Therapie. Davon ausgehend kann sie nur vorliegen, wenn sich die Beurteilungen auf dasselbe Krankheitsbild zu einem bestimmten Zeitpunkt oder während eines bestimmten Zeitraums beziehen. Der Grundsatz des Vorrangs amtsärztlicher Beurteilungen kann naturgemäß nicht zur Entscheidung über die Dienstfähigkeit herangezogen werden, wenn keine Aussage eines Amtsarztes zu einer vom Privatarzt bescheinigten Erkrankung vorliegt (BVerwG).

Weiterverwendung vor Versorgung

Zwar soll von der Versetzung des Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit abgesehen werden, wenn ihm ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann - Stichwort: Weiterverwendung vor Versorgung. Hat sich der Beamte abr zu Unrecht geweigert, sich zur Prüfung seiner Dienstfähigkeit einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, muss der Dienstherr kein weiteres ärztliches Gutachten darüber einholen, ob der Beamte noch den gesundheitlichen Anforderungen eines anderen Amtes derselben oder einer anderen Laufbahn genügt. Der Dienstherr ist nach der Rechtsprechung angesichts der Weigerung des Beamten nicht verpflichtet gewesen, die vorgesehene Suche nach seiner anderweitigen Verwendung durchzuführen.

Aus der Rechtsprechung

Ein Beamter kann grundsätzlich nach dem VG Saarland aus dem Jahre 2009 in den Ruhestand versetzt werden, wenn er mehr als 5 Monate dienstunfähig erkrankt und er in diesem Zeitraum keinen Dienst verrichtet hat. Hinzu kam, dass aufgrund eines amtsärztlichen Gutachtens feststand, dass der Beamte aufgrund einer psychosomatischen Störung innerhalb der nächsten sechs Monate nicht wieder dienstfähig würde. Ein Beamter auf Lebenszeit kann nach einer Entscheidung des VG Potsdam aus dem Jahre 2010 in den Ruhestand versetzt werden, wenn er innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst verrichtet hat und auf der Grundlage ärztlicher Begutachtung nicht innerhalb weiterer sechs Monate wieder dienstfähig wird. Wurde amtsärztlich festgestellt, dass das Wiedererreichen der vollen Dienstfähigkeit im Zeitraum von Jahren lediglich möglich erscheint und zurzeit nicht absehbar ist, ist die Entscheidung über die Zurruhesetzung nicht ermessensfehlerhaft. Für die Feststellung der Dienstunfähigkeit reicht es daher nicht aus, dass der Beamte den Pflichten seines bisherigen Dienstpostens nicht mehr gewachsen ist. Dienstunfähigkeit liegt vielmehr erst dann vor, wenn der Beamte den Anforderungen von keinem der für sein statusrechtliches Amt - ohne Beschränkung auf einen bestimmten Dienstposten - innerhalb der Behörde vorgesehenen Dienstposten mehr gerecht werden kann Die maßgebliche Mitverantwortung des Beklagten an ihrer Erkrankung führt aber zu keinem anderen Ergebnis. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Versetzung in den Ruhestand kommt es allein darauf an, ob eine dauernde Dienstunfähigkeit besteht; rechtlich ist unerheblich, auf welchen Gründen diese Erkrankung beruht.

Rechtliche Vorgehensweise gegen eine Untersuchungsanordnung  

Anders als bei Ruhestandsbeamten kann bei aktiven Beamten die Verweigerung der Untersuchung mit Disziplinarmaßnahmen geahndet werden. Deshalb handelt es sich bei der Anordnung gegenüber einem aktiven Beamten, sich ärztlich untersuchen zu lassen, um eine selbständige Verfahrenshandlung. Gegen die Untersuchungsanordnung kann nach der wohl herrschenden Rechtsprechung selbständig vor Erlass der Sachentscheidung vorläufiger Rechtsschutz nach § 123 VwGO bzw. Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren über die allgemeine Leistungsklage wie bei einer Umsetzung gewährt werden. Der Dienstherr darf eine negative Schlussfolgerung aus der Weigerung des Bematen, sich ärztlich untersuchen zu lassen, ziehen und die Dienstunfähigkeit des Klägers feststellen. Er darf sogar aufgrund der Weigerung des Beamten davon ausgehen, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers nicht mehr für einen Teil der amtsangemessenen Dienstposten ausreicht.

Der Beamte kann aber vorläufigen Rechtsschutz gegen die Untersuchungsanordnung im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO in Anspruch nehmen. Dieser ist nicht etwa ausgeschlossen, weil die Untersuchungsanordnung - anders als im Fahrerlaubnis- oder Prüfungsrecht - nur eine nicht selbständig anfechtbare Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a Satz 1 VwGO darstellt. Das folgt nach einen Teil der Rechtsprechung daraus, dass eine solche Anordnung im Sinne des § 44a Satz 2 VwGO vollstreckbar ist. Ihre Nichtbefolgung kann mit disziplinarischen Mitteln sanktioniert werden. Ob es sich bei der Aufforderung des Dienstherrn um einen mit der Anfechtungsklage angreifbaren Verwaltungsakt oder lediglich um eine qualifizierte dienstliche Weisung, die aber in die grundrechtsbewehrte persönliche Sphäre des Beamten eingreift mit der Folge, dass sich der Beamte dagegen mittels Leistungs- bzw. Feststellungsklage zur Wehr setzen kann oder bloß um eine unselbständige Verfahrenshandlung nach § 44 a VwGO, gegen die sich der Beamte erst im Rahmen der Schlussentscheidung wenden kann ist umstritten, kann aber nicht dazu führen, dass kein Rechtsschutz besteht.

Die Untersuchungsanordnung dürfte nach herrschender Meinung nur eine rein innerdienstliche, den Beamten als Amtsträger betreffende Maßnahme innerhalb eines aus mehreren Prüfungsschritten bestehenden Verfahrens vor einer Versetzung des Beamten in den Ruhestand. Erst die Versetzung in den Ruhestand selbst betrifft den Beamten nicht nur als Amtsträger, sondern auch als Person und hat danach die für einen Verwaltungsakt erforderliche Außenwirkung.

Rechtsanwalt Dr. Palm

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